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Die Finsteren

Die Finsteren

Titel: Die Finsteren
Autoren: Bryan Smith
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nichts.
    Suzie interessierten andere Menschen nicht sonderlich.
    Das hatten sie noch nie getan.
    Oh, hier und da konnten sie durchaus nützlich sein. Sie genoss Sex. Dementsprechend mochte sie männliche Körper. Mit ihnen konnte man unterhaltsame körperliche Sachen anstellen. Aber letztlich betrachtete sie Männer bloß als Objekte, als vergnügliche Spielzeuge mit eigenem Herzschlag. Allein Tom Bell war nah dran gewesen, Gefühle in ihr zu wecken, doch selbst die blieben äußerst oberflächlich. Andras verkörperte ihre einzige wahre Liebe.
    Und nun war er verschwunden.
    Irgendwie hatte es jemand geschafft, ihn ihr zu entreißen. Sie empfand intensiven Hass auf diesen Unbekannten. Sollte sie jemals herausfinden, wer das getan hatte, würde sie denjenigen töten.
    Nein.
    Zuerst würde sie denjenigen foltern. Und zwar sehr, sehr ausgiebig.
    Erst dann würde sie ihn umbringen.
    Allerdings spendete ihr dieser Gedanke nur wenig Trost. Wahrscheinlich erfuhr sie niemals, wer dahintersteckte. Derjenige konnte sich für immer ihrem Zugriff entziehen. Was sie als weiteren Beweis dafür betrachtete, dass dieses verfluchte Universum gerne Spielchen mit ihr trieb. Die Episode mit Andras – nur ein weiterer kosmischer Hirnfick. Ein betörender Ausblick auf absolute Freiheit. Und nun hatte man ihr all das entrissen.
    Sie streckte das tränenverschmierte Gesicht dem Himmel entgegen, als sie ihr Haus erreichte.
    »FICK DICH! HÖR AUF, MIR SO ETWAS ANZUTUN!«
    Derek wartete drinnen auf sie. Er hockte im Schneidersitz mitten auf dem Küchenboden in einer Lache von trocknendem Blut, umgeben von Körperteilen.
    »Hi, Ma.«
    Suzie starrte ihn einen langen Moment an. Es fühlte sich seltsam an, seinen Körper zu betrachten und wieder den eigenen Sohn statt Andras zu sehen. Denselben Körper, der sie wochenlang mit so fieberhafter Intensität gefickt hatte. Sie sehnte sich danach, diese Haut wieder zu berühren, obwohl Andras nicht länger darin steckte.
    Suzie rang sich ein Lächeln ab. »Hallo, Schatz.« Sie näherte sich ihm und streckte eine Hand aus. »Es ist eine lange Nacht gewesen. Gehen wir rauf in dein Zimmer und legen wir uns ein bisschen hin.«
    Derek stand auf und schenkte ihrer ausgestreckten Hand keine Beachtung.
    »Nein.«
    Dann holte er mit der Faust aus, schlug ihr ins Gesicht und brach ihr die Nase. Sie taumelte zurück und landete hart auf dem Hintern. Derek stieg über sie hinweg und ging aus dem Haus. Suzie krümmte sich auf dem Boden und weinte vor Schmerzen. Die körperlichen Schmerzen der gebrochenen Nase waren schlimm, aber was sie überhaupt nicht ertrug, war Dereks Rebellion. Es handelte sich um ihren Sohn und sie brauchte Trost. Was er getan hatte, kam ihr einfach nicht richtig vor. Sie konnte seine Unverschämtheiten nicht länger billigen. Sollte er es wagen, sich noch einmal hier blicken zu lassen, würde sie ihn töten.
    Warum darauf warten?
    Ja. Warum eigentlich?
    Sie rappelte sich auf, um ihm zu folgen.
    Dann hörte sie Schritte, die sich aus dem ersten Stock näherten.
    Sie drehte sich in Richtung Treppe. »Du.«
    »Ja.«
    »Komm her. Ich brauche dich.«
    Lächelnd streckte sie die Hand aus, weil sie wusste, dass sie diesmal keinen Widerstand zu erwarten hatte.
    Er kam zu ihr.
    Aber statt ihre Hand zu ergreifen, packte er sie an der Kehle.
    Und drückte zu.
    Suzie starb mit der Gewissheit, dass das Universum ihrer überdrüssig geworden war und sie entsorgte wie ein Kind, das ein früheres Lieblingsspielzeug langweilte und das sich deshalb nach neuer Unterhaltung umschaute. Sie durchlebte einen Moment intensiven, gerechtfertigten Zorns.
    Und dann nichts mehr.
    Ella McGregor saß schluchzend hinter dem Lenkrad ihres Bentley. Sie parkte mitten auf der Straße. Ella dachte an ihren Sohn – armer Kurt – und fragte sich, was er wohl über ihre Taten dachte. Sicher, sie hatte keine vollständige Kontrolle über sich gehabt, doch das änderte nichts an der Tatsache, dass es sich bei ihr um eine vielfache Mörderin handelte. Sie konnte die Vorstellung nicht ertragen, dass ihr geliebter Sohn aus dem Himmel auf sie herabblickte und sie für ihre grauenhaften Verbrechen verurteilte.
    Ella schielte in den Innenspiegel des Bentley. Erneut verhöhnte sie der Anblick ihres vom Alter zerfurchten Gesichts. Kaum war der Dämon verschwunden, hatte sich die Wiederherstellung ihrer Jugend als das erwiesen, was sie immer gewesen war: nichts als eine äußerst überzeugende Illusion.
    Ella war alt .
    Eine alte,
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