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Die Feuertaufe - Band 1 (Rettungskreuzer Ikarus) (German Edition)

Die Feuertaufe - Band 1 (Rettungskreuzer Ikarus) (German Edition)

Titel: Die Feuertaufe - Band 1 (Rettungskreuzer Ikarus) (German Edition)
Autoren: Dirk van den Boom
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Antwort. Sonja blickte rasch über ihre Schulter zurück. Die Gestalt des Captains erschien im Glanze des Atombrandes. Er winkte ihr zu.
    »Beeilen wir uns, damit wir rechtzeitig zur Kapsel kommen!«
    »Nein, Captain, ich werde hier bleiben!«, meinte Sonja fest und warf das nutzlos gewordene Löschgerät fort. Suchend blickte sie sich nach einem neuen um, doch dann trat der Captain vor ihr Gesicht. Sein Gesicht war eine Fratze hinter der Sichtscheibe des Helms. Sonja starrte auf das Dosimeter. Der Captain war so gut wie tot, denn er trug nur einen normalen Raumanzug, keine Spezialanfertigung wie sie.
    Die Schuld, die in ihr aufstieg, wirkte wie ein Betäubungsmittel. In Trance wanderten ihre Hände an der Wand entlang auf der Suche nach einem Löschgerät. Sie ertastete eines und richtete es mechanisch auf die sich ausbreitenden Gluten. Dann spürte sie die Hand des Captains auf ihrem Arm.
    »Ich habe noch nie ein Besatzungsmitglied verloren!«, hörte sie die beschwörende Stimme des Mannes durch den Helmfunk. »Ich werde mit dieser Tradition nicht brechen, auch, wenn es mein Leben kosten sollte.«
    »Aber ich bin schuld an dieser Katastrophe!«, brach es aus Sonja heraus. Mit verbissener Verzweiflung schickte sie den Sprühnebel gegen die helle Glut, die sich unbeeindruckt weiter nach vorne fraß. »Ich bin schuld!«
    Der Captain umklammerte ihren Arm umso fester.
    »Das ist mir völlig egal!«, stieß er hervor. Sein Griff wurde schwächer. »Jetzt geht es nur noch um mich! Ich habe einen Ruf zu verlieren! Du wirst verflucht noch mal in diese Rettungskapsel steigen, oder ich werde aus der Hölle emporsteigen und dich bis ins Jenseits verfolgen. Entweder du kommst jetzt mit, oder du wirst mich nie wieder los!«
    Sonja ließ sich vom Captain den Gang entlang zur Rettungskapsel führen. Das weiße Lohen des Atombrandes folgte ihr unerbittlich, als wolle eine Nemesis sich vergewissern, dass sie auch ja das Schiff verließ und auf immer an das erinnert wurde, was sie angerichtet hatte. Reine, schiere Nachlässigkeit.
    Mühsam schleppten sich beide in die Kapsel. Der Captain warf sich auf eine der gepolsterten Liegen, sein Atem ging stoßweise. Er hatte so viel Radioaktivität abbekommen, dass Sonja ihren Schutzanzug nicht auszuziehen wagte. Die Bewegungen des Mannes waren schwach und fahrig, sein Blick irrlichterte in der Kabine umher. Sonjas Hand fiel auf den Auslöser, mit einem heftigen Ruck schleuderten die Zündpatronen die Kapsel vom Schiffskörper der Oremi fort. Durch das Lukenfenster starrte Sonja auf das brennende Wrack des kleinen Schiffes, das für die letzten sechs Jahre ihre Heimat gewesen war. Dann wandte sie sich um und blickte in die toten, gebrochenen Augen des Captains. Er musste in dem Moment gestorben sein, als sich die Kapsel vom Schiff gelöst hatte. Sein Mund stand halb offen. Die Haut blätterte von seinem Gesicht ab. Sein gebrochener Blick war nicht einmal anklagend, fast wirkte er triumphierend.
    Sonja hob ihre Hand nicht, um den Helm zu öffnen und seine Augen zu schließen, die auf die Decke der Kapsel zu starren schienen.
    Sie saß minutenlang da und prägte sich das strahlenzerfressene Gesicht ihres Retters ganz genau ein. Jede Kleinigkeit brannte sich in ihrem Gedächtnis ein und jedes Detail suchte sie mit ihrem Blick ab. Sie hatte das Versprechen des Captains noch genau im Ohr, Wort für Wort. Nun würde sie dafür sorgen, dass er aus ihrer ganz persönlichen Hölle immer wieder hervorkam und sie ihr Leben lang nicht in Ruhe lassen würde. Als das tote, gequält wirkende Gesicht ihr ganzes Blickfeld einzunehmen schien und sich in ihr Bewusstsein, das ganze Denken eingeprägt hatte, um sie unauslöschlich für den Rest ihres Daseins zu begleiten, schloss sie die Augen – erst die des Toten, dann die eigenen.
    Danach lehnte sich Sonja DiMersi zurück und hörte, wie Notsignale die Kapsel verließen. Als die Medotechniker Stunden später das Fahrzeug öffneten, befand sie sich bereits in einem katatonischen Zustand, wie ein Kleinkind in sich hinein gerollt auf dem Boden liegend. Sie trugen die Frau in die Intensivabteilung, doch von einigen Strahlenschäden abgesehen war sie unverletzt. Nur ihr Haar, das einstmals kastanienbraun gewesen war, schimmerte nun in einem klaren, reinen Weiß.
    Sie würde für über sechs Monate nicht aufwachen.
    So endete die Ingenieurskarriere von Sonja DiMersi.

     
    Das verfallen wirkende Gebäude von Prototype Inc. machte von außen genauso wenig her wie
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