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Die Feuerbraut

Titel: Die Feuerbraut
Autoren: Iny Lorentz
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und die Äste ragten oft so weit hinein, dass die Kutscher ihre Gespanne ganz vorsichtig unter ihnen hindurchlenken mussten. Zusammen mit Steglingers überladenem Frachtwagen ließ auch das den Flüchtlingszug kaum schneller vorankommen als eine Schnecke auf einem Salatblatt.
    Ehrentrauds hysterischer Ausruf steckte die anderen Frauen in der überfüllten Kutsche an. Zu viel hatten sie in letzter Zeit von den Ungeheuern aus Mitternacht gehört, wie man die Schweden zumeist nannte. Während einige inbrünstig zu beten begannen und ihre Kinder anhielten, es ihnen gleichzutun, begann Irmelas Tante Johanna, mit unanständigen Worten über Walburgas Ehemann Rudolf Steglinger herzuziehen. Weiter hieß sie Anton von Birkenfels einen unfähigen Narren, der den Frachtwagen längst hätte wegschaffen müssen, und schmähte zuletzt sogar den lieben Gott. Ihrer Meinung nach hätte der Herr im Himmel es nicht zulassen dürfen, dass die schwedischen Ketzer und ihre protestantischen Verbündeten das kaiserliche Heer bei Breitenfeldgeschlagen und die Städte Mainz und Würzburg samt ihren Festungen eingenommen hatten.
    Meinarda von Teglenburg wies sie scharf zurecht, denn es gehörte sich für eine Achtzehnjährige nicht, solche Reden zu führen, und den Willen des Schöpfers durfte erst recht niemand anzweifeln. Zwar stimmten die anderen Frauen ihr zu, brachen dann aber in verzweifeltes Wehklagen aus oder flehten ihre bevorzugten Heiligen an, sie vor den protestantischen Teufeln zu schützen.
    Ihre schrillen Stimmen peinigten Irmelas Nerven, und sie hätte sich am liebsten die Ohren zugehalten, um nichts mehr hören zu müssen. Da man ihr diese Geste jedoch übel genommen hätte, krallte sie beide Hände in das Lederband, um nicht vom Sitz geschleudert zu werden, wenn die Kutsche sich wieder in Bewegung setzte. Hart fallen würde sie zwar nicht, denn der Wagenkasten, in dem vier Leute bequem und sechs noch halbwegs angenehm reisen konnten, war mit zwölf Frauen und Kindern überfüllt. Aber wenn sie gegen jemand stieß, würde sie gescholten werden, und Johanna und Ehrentraud, die ihr im Alter am nächsten standen, würden sie so gemein zwicken, wie sie es schon mehrfach getan hatten.
    Während Irmela versuchte, sich von der Angst nicht überwältigen zu lassen, beneidete sie Freiin Meinarda und Walburga Steglinger und die beiden anderen Nachbarinnen, die in Fahrtrichtung sitzen durften und daher den Bewegungen der Kutsche nicht so stark ausgeliefert waren. Immerhin gehörte der Reisewagen ihrem Vater, doch der hatte ihr beim Aufbruch erklärt, es sei unhöflich, einer erwachsenen Frau den besseren Platz wegzunehmen.
    Irmela blickte nach draußen, um zu sehen, ob es nicht endlich weiterging. Dort sammelten Birkenfels und ihr Vater mit ernsten Mienen gerade die anderen Herren um sich. Die Zuversicht, die die Männer noch beim Aufbruch gezeigt hatten, war einer tiefenNiedergeschlagenheit gewichen, das spürte sie, noch ehe die ersten harschen Worte fielen.
    »Verdammt noch mal, Steglinger, Euch sollte man den Schweden zum Fraß vorwerfen! Meine Anordnung war eindeutig. Zuerst kommen die Kutschen mit den Frauen und Kindern und dann erst die Bagagewagen!« Der Sprecher war Anton von Birkenfels, ein mittelgroßer, gedrungener Offizier in einem dunklen Lederrock, weiten Hosen und Stulpenstiefeln, wie er sie wohl auch während der Feldzüge unter Tilly getragen hatte. Nun glühte er vor Zorn und sah so aus, als wolle er den plumpen, aufgeblasen wirkenden Gutsherrn niederschlagen.
    Irmelas Vater Ottheinrich von Hochberg, der neben Birkenfels stand, nickte. »Euer Wagen hindert uns weiterzukommen. Bei der nächsten Gelegenheit muss er zur Seite geschafft werden, damit die Kutschen an ihm vorbeikönnen. Sollte es hart auf hart kommen, lassen wir das Gepäck zurück und versuchen, wenigstens das Leben unserer Lieben und das unsere zu retten.«
    »Der Meinung bin ich auch!«, stimmte ihm Siegbert von Czontass zu. »Wenn wir den Feind hinter uns hören, müssen die Pferde vor den Kutschen zu schnellster Gangart gepeitscht werden. Solange sie zwischen den schweren Lastkarren eingezwängt sind, ist ein Entkommen unmöglich.«
    Steglingers Gesicht färbte sich tiefrot. »Mir hat hier keiner etwas zu befehlen, Birkenfels! Und Ihr am allerwenigsten. Ich war mit meinem Wagen eher unterwegs als Ihr, und jetzt bleibt er an der Spitze.«
    »Aber nur so lange, bis sich die Gelegenheit ergibt, die Kutschen überholen zu lassen. Ich fühle mich erst
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