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Die Feuerbraut

Titel: Die Feuerbraut
Autoren: Iny Lorentz
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Leuten, die zum größten Teil schon vor ihrer Geburt in den Diensten ihrer Familie gestanden hatten, niemand mehr wiedersehen. Bei der Erinnerung daran begann sie lautlos für diese Menschen zu beten. Mit einem Mal stellten sich ihr die Haare auf den Armen auf, und sie krümmte sich unter dem Eindruck nahenden Unheils. Trotz des Lärms, den die Menschen und Tiere des Flüchtlingszuges verursachten, nahm sie Geräusche wahr, die nichts Gutes verhießen. Schnell steckte sie den Kopf zum Schlag hinaus, um zu lauschen.
    Tatsächlich drangen Rufe und der Hufschlag schneller Pferde an ihr Ohr, und ihr schoss das Blut aus dem Kopf. »Da sind Reiter vor uns! Sie werden uns bald erreichen«, rief sie erschrocken aus. »Verraten dir das die Hexenkräfte, die du von deiner Mutter geerbt hast? Ich höre gar nichts!« Johanna maß ihre ein Jahr jüngere Nichte mit einem verächtlichen Blick.
    Obwohl die beiden Mädchen zusammen aufgewachsen waren, hatte sich keine Freundschaft zwischen ihnen entwickelt. Irmela war nach dem frühen Tod ihrer Mutter ein in sich zurückgezogenes Kind gewesen, das nur wenige Menschen an sich heranließ; Johanna aber galt als arme Verwandte, die aus Gnade und Barmherzigkeit aufgenommen worden war. Da Johanna Irmelas Vaterdie Verachtung nicht heimzahlen konnte, mit der Ottheinrich seine um viele Jahre jüngere Halbschwester behandelte, quälte sie Irmela, wo sie nur konnte. Dabei nutzte sie deren Liebe zu ihrer verstorbenen Mutter aus und hielt ihr bei jeder Gelegenheit vor, dass Irmhilde von Hochberg als Hexe angezeigt worden war und nur durch ihren frühen Tod einem Prozess und dem Scheiterhaufen entronnen sei.
    Zu Hause war Irmela weinend davongelaufen, wenn Johanna sie mit Bosheiten überhäuft hatte, nun aber herrschte sie sie an, still zu sein. Ihre Ohren waren besser als die jedes anderen Menschen, den sie kannte, und sie hörte nun deutlich rauhe Stimmen, die sich einer fremden Sprache bedienten.
    »Es können nur die Schweden sein! Kommt raus aus dem Wagen! Wir verstecken uns im Wald.« Noch während sie es sagte, riss Irmela den Kutschenschlag auf und sprang mit Siegmar auf dem Arm zu Boden. Meinarda von Teglenburg streckte noch die Hand aus, um sie aufzuhalten, war aber nicht schnell genug.
    Den Jungen an sich gepresst, rannte Irmela zu ihrem Vater und zupfte ihn am Ärmel. »Ich höre schwedische Reiter! Sie kommen von vorne!«
    Ihr Vater blickte kopfschüttelnd in die angegebene Richtung, und Anton von Birkenfels machte eine abfällige Handbewegung. »Aus der Richtung, in die wir fliehen? Das ist doch lächerlich!«
    Dann wandte er sich an seinen Sohn. »Fabian, hilf Fräulein Irmela wieder in die Kutsche und sorge dafür, dass sie auch drinnen bleibt!«
    Der Jüngling hatte gerade ein paar weitere Knechte auf Steglingers Wagen gescheucht, damit diese noch einige Stühle, Tische und Kästen in den Wald schaffen sollten. Nun schwang er sich aus dem Sattel und trat nicht weniger verärgert als sein Vater auf Irmela zu.
    Das Mädchen sah ihren Vater flehend an. »Papa, ich höre siewirklich! Wir müssen in die Wälder fliehen. Möge die Himmeljungfrau uns beistehen!«
    Ottheinrich von Hochberg starrte Irmela verunsichert an. Seine Tochter verfügte über ähnlich feine Sinne wie seine verstorbene Frau, dabei hätte er ihr ein etwas weniger sensibles Gemüt gewünscht. So erinnerte sie ihn täglich mehr an ihre Mutter, die nur durch ihre hohe Abkunft und das Dazwischentreten des Pfalzgrafen und Neuburger Herzogs Wolfgang Wilhelm dem Zugriff jenes fanatischen Dominikanerpaters entkommen war, der sie als Hexe angeklagt hatte. Dabei hatte seine Gemahlin die Gunst des Fürsten und der Fürstin nicht zuletzt ihrer scharfen Sinne wegen erworben. Nun schwankte Hochberg, ob er Irmela Glauben schenken oder ihre Worte als Gerede eines verängstigten Kindes abtun sollte.
    Fabian von Birkenfels griff nach Irmela, um den Befehl seines Vaters auszuführen, doch diese stieß ihn unerwartet heftig zurück.
    »Rennt um euer Leben!«, schrie sie und tauchte mit dem kleinen Siegmar auf dem Arm so schnell im Zwielicht des Waldes unter, dass Fabian ins Leere griff.
    Frau Meinarda sah das Mädchen mit ihrem Sohn in den Wald rennen und stieß einen schrillen Ruf aus. »Irmela! Nein! Was machst du denn da?«
    Bevor jemand sie hindern konnte, verließ sie die Kutsche und folgte dem Mädchen. Drei andere Frauen verloren die Nerven, zwängten sich kreischend ins Freie und rannten ebenfalls in den Wald. Ihr Beispiel
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