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Die Fehler-Raeuber

Die Fehler-Raeuber

Titel: Die Fehler-Raeuber
Autoren: Andreas Schlueter
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zur Stunde – auf die Sekunde genau. Während in den vergangenen Jahren die Pausenglocke meist zu schrill oder zu leise ertönt war, sodass man sie entweder überhört hatte oder sich die Ohren zuhalten musste, bimmelte sie an diesem Tag in angenehmer Lautstärke mit geradezu wohligem Klang.
    Die Jungs beendeten ihr Fußballspiel. Sie hatten fehlerfrei gespielt, schienen aber nicht glücklich zu sein. Noch nie war ein Pausenspiel torlos ausgegangen. 0:0 war einfach öde, noch blöder als zu verlieren. Auch die Kinder, die Fangen gespielt hatten, waren nicht zufrieden. Da sowohl Fänger als auch der jeweilige Gejagte keine Fehler machte, wurde das Spiel schnell langweilig. Machte ein Fänger einen richtigen Schritt nach vorn, ging der Gejagte den notwendigen Schritt zur Seite.
    Söngul hatte ihr Brot verzehrt. „Das Brot war zu dünn bestrichen“, stellte sie enttäuscht fest. „Irgendwie hat es heute keinen Spaß gemacht, es zu essen.“
    Johanna ahnte, dass der Brotaufstrich zum ersten Mal richtig dosiert gewesen sein musste, sodass Söngul um ihr Tropfenauffangspiel gebracht worden war.
    Zum Unterricht erschien Herr Kranich pünktlich. Er hetzte nicht wie so oft, ließ sich aber auch nicht zu viel Zeit, sondern traf das richtige Tempo, begann etwas in einer Schrift wie gedruckt an die Tafel zu schreiben und bat die Schüler um die Beantwortung einer Frage. Vierundzwanzig Finger schnellten in die Höhe. Keiner schnipste; alle Schüler warteten ruhig, bis sie vom Lehrer zum Sprechen aufgefordert wurden, um dann in knappen präzisen Worten die richtige Antwort zu geben.
    Johanna seufzte tief. So eine langweilige Welt hatte sie noch nie erlebt.
    „Da siehst du es!“, piepste Mörfi aus
    Johannas Hosentasche heraus.

    Johanna zuckte zusammen. Mörfi hatte sich so lange nicht gemeldet und dann urplötzlich tauchte sie aus dem Nichts auf.
    „Völliger Flop, so ohne Fehler!“, fuhr Mörfi fort. „Und es wird immer schlimmer. Verzweickte Verzwiflung!“
    Johanna stimmte zu. Es war wirklich sehr verzwickt und zum Verzweifeln. Die Menschen um sie herum kamen ihr gar nicht mehr vor wie Menschen, sondern eher wie Automaten. Jeder war mit einem Mal berechenbar geworden; jede Handlung war vorauszusehen. Keine Überraschungen mehr, keine Umwege oder unvorhergesehene Hindernisse.
    Das war nicht nur langweilig, das war einfach furchtbar, fand sie. Die Fehlerwerfer mussten wieder gefunden werden. Unbedingt!

Abenteuer in der Nacht
    Als Johanna zu Hause ankam, schrie sie laut auf. Mitten in ihrem Zimmer lag ein Laternenpfahl! Sie musste dreimal durchatmen, ehe sie erkannte, dass der Laternenpfahl Stierfüße und einen langen Schwanz besaß. Sie hatte Besuch von Juanito!
    „Schon wieder?“, empörte sich Mörfi, das auf Johannas Kopf hockte.
    „Maldita sea 1 ! Sí!“, schimpfte Juanito.
    „Wieder zehn Fehlerwerfer verschwunden. Bald haben nur noch die Hohlköpfe ihre Fehlerwerfer.“
    „Kohlpföpfe?“, fragte eine Stimme, und es klang so, als würde jemand mit vollem Mund sprechen. Unter dem Bett krabbelte ein rotes Wollknäuel empor.
    „Hubert!“, rief Johanna.
    „Nicht Kohlzöpfe, sondern Hohlköpfe!“, verbesserte Juanito.
    „Fiefo Pfohlpföpfe?“, wollte Hubert wissen. Er konnte nicht richtig sprechen, weil er seinen Fehlerwerfer mit dem Mund festhielt.
    Juanito schüttelte den Kopf. „Seit der Versammlung gestern lässt er den Fehlerwerfer nicht mehr aus dem Mund. Er wird noch verhungern!“
    „Mir ftiehlt niemand den Pfelerpferfer!“, nuschelte Hubert. „Fo wahr ich Pfubert pfeife!“
    Mörfi zwirbelte nachdenklich seine Lakritzschnecken-Löckchen. Schon wieder zehn Fehlerwerfer weniger. Bald waren keine mehr übrig.
    Am wenigsten gefährdet waren Halbfehlervollteufel wie Hubert. Die Zengel wussten, dass deren Fehlerstärke zu schwach war. Doch Hubert war nicht davon abzubringen, seinen Fehlerwerfer mit Zähnen und Klauen zu bewachen, obwohl er dadurch für andere Aufgaben ausfiel. Juanito hatte es übernommen, die restlichen Fehlerwerfer im Auge zu behalten oder zumindest festzustellen, wann, wo, auf welche Weise sie verschwanden. Er hatte, wie er erzählte, einen Großteil der Fehlerteufelfamilie darauf angesetzt, Augen und Ohren aufmerksam offen zu halten. Doch die Gefahr war zu groß. Waren Fehlerteufel erst einmal müde, konnte man sie kaum noch wach halten. Sicherheitshalber hatte Juanito noch für dieselbe Nacht eine weitere Versammlung einberufen, um auf dem neuesten Stand zu bleiben.

    Für
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