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Die Feen - Hallmann, M: Feen

Die Feen - Hallmann, M: Feen

Titel: Die Feen - Hallmann, M: Feen
Autoren: Maike Hallmann
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ganz Schottland nicht, wenn ich mich nicht sehr irre.«
    Unbehaglich ließ Benny die Musterung der Frau über sich ergehen. »Vielleicht besser so«, befand sie am Ende jedoch nur. »Sucht euch ruhig was Schönes aus. Heiße Schokolade hätte ich auch da, in der Thermoskanne. Mögt ihr?«
    »Gern«, sagte Leslie, ehe Benny etwas sagen konnte. Sie folgten der Kassiererin in einen kleinen Nebenraum mit einer winzigen Küchenzeile und einem kleinen Tisch, an dem zwei Stühle standen. Leslie bekam eine große rosa Tasse ohne Henkel, für Benny goss die Frau die heiße Schokolade direkt in den Deckel der Thermoskanne. Obenauf kam ein gewaltiger Schuss Sprühsahne. Vor Wohlbehagen seufzte Leslie leise auf.
    So verlegen Benny auch war, so gut tat die heiße Schokolade. Erst jetzt merkte er, wie durchgefroren er war.
    An der kleinen Küchenzeile lehnend, betrachtete die Kassiererin Leslie wohlwollend. Dann wandte sie sich an Benny. »Ich bin Gin.«
    »Benny.« Er runzelte die Stirn. »Das wissen Sie ja schon.«
    »Sag ruhig du, niemand siezt mich. Du siehst ganz durchgefroren aus. Wenn du hierbleiben würdest, solltest du dir angewöhnen, bei diesem Scheißwetter eine Regenjacke zu tragen. Solchen Regen haben wir hier im Hochland oft. Man unterschätzt ihn, wenn man hier fremd ist, er kriecht bis in die Knochen. Wahrscheinlich bist du morgen krank. Ich mache dir besser noch einen schönen Tee.«
    »Ich werde nie krank«, wehrte er ab. »Vielen Dank!«
    »Schaden kann’s nicht.« Trotz seines Protests setzte sie heißes Wasser auf. Der Wasserkocher war von außen verschmiert, als sei er seit Jahren nicht abgespült worden. »Du sprichst sehr gut englisch!«, stellte sie wohlwollend fest.
    »Meine Mutter war Engländerin.«
    »Oh!« Sie schaute ihn an. »Schottin?«
    »London. Sie kam aus London.«
    »Mensch, Gin«, mischte sich Leslie ein, die dem Gespräch mit stillem Vergnügen gefolgt war. »Das hört man doch! Er klingt wie eine alte britische Lady.«
    »Sei nicht so frech«, wies Gin sie zurecht. »Er hat eine sehr schöne, saubere Aussprache. Du hingegen klingst, als hätte ein Brauereipferd deine Vokale plattgetrampelt.«
    Leslie grinste nur. »Gin stammt nämlich auch aus England«, verriet sie Benny. »Aus Gloucestershire.«
    »Aha.«
    »Und sie behauptet, dort wäre es wärmer, würde weniger regnen, und die Leute wüssten sich allesamt besser zu benehmen als die gottverdammten engstirnigen, schroffen, unmanierlichen Schotten, die die Zähne nicht auseinanderbekommen, wenn sie mit jemandem reden sollen, dessen Familie nicht seit mindestens zehn Generationen in genau demselben Haus an genau demselben Ort lebt und auch nirgendwo anders hinwill.« Sie zog eine Grimasse und dozierte gestelzt: »Gin findet, Schotten sind genau wie das Land – seelisch karg, die Laune ständig verregnet, das Herz so verschlossen wie die Türen.«
    Erbost warf Gin einen Teebeutel nach ihr. Leslie schüttelte sich vor Lachen. »Ist doch so!«
    »Stimmt ja auch! So seid ihr, und so bleibt ihr. Du bist die einzige Ausnahme. Bis auf die Sache mit den Manieren, die hast du auch nicht.« Kopfschüttelnd hob Gin den Teebeutel vom Boden auf, der Benny nicht allzu sauber vorkam, schüttelte ihn nachlässig ab und steckte ihn in eine angeschlagene blaue Tasse, die sie mit heißem Wasser aus dem fauchenden Wasserkocher auffüllte und vor Benny hinstellte.
    »Äh – danke«, brachte er heraus und fragte sich, ob er pingelig war oder ob auf der Oberfläche des Tees wirklich eine feine Staubschicht schwamm.
    »Gern.« Sie strahlte ihn an. »Ach, schade, dass du nicht bleibst. Aber es ist eine kluge Entscheidung. Dieser arrogante, verrotzte Haufen Neunmalkluger da oben … die Erstklässler kommen an und sind ganz liebe kleine Kerle, ein bisschen ängstlich, sagen Ja und Nein und Danke und Bitte, und schon ein paar Wochen später tragen sie die Nase so hoch, dass ich die Popel darin zählen kann. Ja und Nein und Danke und Bitte sagen sie noch immer, aber es klingt ganz anders.«
    »Danke. Bitte. Sir «, dozierte Benny blasiert.
    Gin starrte ihn an. »Genau!«
    »Kann er gut, nicht?« Als würde sie lauschen, legte Leslie den Kopf schräg. Irgendwo draußen fuhr ein Auto vorbei. Fast schien es Benny, als würde sie aufatmen. »Läufst du gern?«, wandte sie sich unvermittelt an ihn.
    Überrascht nickte er. »Ja.«
    »Ich auch. Man sieht es mir nicht an, aber ich laufe auch gern.« Sie seufzte. Mit einem Mal schien sie in Gedanken weit fort zu sein.
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