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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit
Autoren: Connie Willis
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Kätzchen, einen Igel und zweimal den Union Jack. Man muß dort einfach etwas kaufen, und weil ich nichts durch das Netz mit zurückbringen kann, mußte es etwas sein, das ich unentdeckt auf dem Tisch mit den Galanteriewaren ablegen konnte. Federhalterwischer sind klein. Bis auf die Rose. Sie war beinahe so groß wie ein Fußball, Blätter um Blätter aus zusammengenähter fuchsienroter Wolle, rosa an den Rändern. Und was ich einfach nicht verstehe, ist, wozu um alles in der Welt man so etwas braucht, außer natürlich, um es auf einem Basar zu verkaufen. Sie verkauften die Dinger überall, auf dem Basar zur Unterstützung evakuierter Kinder, beim Backwarenverkauf des Luftschutzes zugunsten des Gasmaskenfonds, bei der Verkaufsauktion am Tag der Heiligen Anna…«
    Carruthers warf mir einen merkwürdigen Blick zu. »Wie oft bist du in der vergangenen Woche gesprungen, Ned?« fragte er.
    »Zehnmal.« Ich versuchte mich zu erinnern. »Nein, zwölfmal. Zum Herbstfest der Dreifaltigkeitskirche, zur Sammelaktion der Frauengemeinschaft, zum Spitfire-Benefiztee. [2] Dreizehn. Nein, zwölf. Zu Mrs. Bittner war es kein Sprung.«
    »Mrs. Bittner?« fragte Carruthers. »Die Ehefrau des letzten Bischofs von Coventry?«
    Ich nickte. »Sie lebt noch. Immer noch hier in Coventry. Lady Schrapnell wollte, daß ich sie interviewte.«
    »Was könnte sie denn über die alte Kathedrale wissen? Zu der Zeit, als diese niederbrannte, war Mrs. Bittner noch nicht einmal geboren.«
    »Lady Schrapnell dachte, daß des Bischofs Vogeltränke das Feuer vielleicht überstanden hätte und in der neuen Kathedrale irgendwo verstaut worden wäre, also schickte sie mich zu den Ehefrauen der Bischöfe, denn – ich zitiere – ›Männer haben sowieso keine Ahnung davon, wo man Dinge aufbewahrt‹.«
    Carruthers schüttelte bekümmert den Kopf. »Und? Wußten die Frauen etwas?«
    »Sie hatten nicht einmal davon gehört, abgesehen von Mrs. Bittner, und diese sagte, das Ding wäre nicht dabei gewesen, als sie alles zusammenpackten, bevor sie die neue Kathedrale verkauften.«
    »Aber das ist doch prima, oder? Wenn es nicht dabei gewesen ist, bedeutet das, es war nicht hier, als der Angriff erfolgte, und du kannst Lady Schrapnell sagen, daß sie es für die Rekonstruktion der Kathedrale bei der Einweihung auch nicht braucht.«
    »Sag du ihr das«, erwiderte ich.
    »Vielleicht wurde es weggeschafft, damit ihm nichts passiert«, schlug Carruthers vor und schaute zu den Fenstern. »Wie die Ostfenster.«
    »Des Bischofs Vogeltränke?« Ich war skeptisch. »Machst du Witze?«
    »Du hast recht«, sagte er. »Es ist nicht gerade das, was man davor bewahren möchte, zerbombt zu werden. Victorianische Kunst!« Er schauderte.
    »Außerdem«, sagte ich, »war ich bereits im Pfarrhaus von Lucy Hampton, dort, wo sie die Fenster hingebracht haben. Sie war nicht da.«
    »Aha. Könnte sie innerhalb der Kirche an eine andere Stelle geschafft worden sein?«
    Das war kein übler Gedanke. Vielleicht von einer der Frauen, die sich um den Blumenschmuck kümmerten, und die den Anblick nicht länger ertragen konnte und sie hinter einer Säule oder sonstwo versteckt hatte?
    »Warum ist Lady Schrapnell eigentlich so versessen auf dieses Ding?« wollte Carruthers wissen.
    »Warum ist sie von jedem Detail dieses Projektes so besessen?« fragte ich. »Bevor ich auf des Bischofs Vogeltränke angesetzt wurde, waren es Denkmäler. Sie wollte eine Kopie jeder Inschrift von jedem Denkmal in dieser Kirche, eingeschlossen die auf Kapitän Gervase Scropes Grab, die unendlich lang ist.«
    Carruthers nickte teilnahmsvoll. »Orgelpfeifen«, sagte er. »Mich hetzte sie durchs ganze Mittelalter, um Orgelpfeifen auszumessen.«
    »Die wahre Frage ist natürlich, warum sie überhaupt von dem Wiederaufbau der Kathedrale von Coventry so besessen ist.«
    »Ihre Ur-ur-oder-was-Großmutter besuchte Coventry und…«
    »Weiß ich, weiß ich. Diese Erfahrung veränderte das Leben ihrer Ur-ur-oder-was-Großmutter von Grund auf, und als Lady Schrapnell ihr Tagebuch fand, veränderte es ihr Leben ebenso von Grund auf, und sie beschloß, die Kathedrale haargenau so wiederaufzubauen, wie sie vor dem Brand gewesen war, und zwar aus Hochachtung vor und aus Respekt für und was weiß der Himmel noch. Ich habe diese Ansprache zigmal gehört. Ebenso den Vortrag darüber, daß Gott…«
    »…im Detail steckt«, ergänzte Carruthers. »Ich hasse diesen Vortrag.«
    »Ich hasse am meisten den Vortrag mit ›Dreht jeden
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