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Die Farben der Wirklichkeit

Die Farben der Wirklichkeit

Titel: Die Farben der Wirklichkeit
Autoren: Körner
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Frau wurde neugierig. Sie konnte sich nicht vorstellen, was ihr jener seltsame Fremde hätte zeigen können. Plötzlich fuhr sich dieser durch das Haar, und auf einmal schwebten aus seinem Kopf drei kleine, farbig glänzende Luftballons. Die Frau öffnete den Mund und staunte. Sie vergaß ihre Traurigkeit und schaute mit kindlich leuchtenden Augen. Der Mann lächelte sie an, murmelte ein  Wort und sofort zerplatzten die drei Ballons. Aus jedem fiel ein kleiner bunter Blumenstrauß in die Hände des Mannes. Sachte überreichte er der atemlosen Frau die Blumen und lachte sie verschmitzt an: „Siehst du, so einfach ist es, aus der Traurigkeit ein Lachen zu zaubern.“
    Die junge Frau fand keine Worte, wußte aber plötzlich: Das war keiner von diesen gewöhnlichen Männern. Noch am selben Abend beschlossen die beiden zusammenzubleiben. Die junge Frau war glücklich. Lachte sie einmal nicht, zauberte der Mann Luftballons aus seinem Kopf, die mit leichtem Knall platzten und leuchtende Blumen enthüllten.
    Mit der Zeit füllte sich die ganze Wohnung mit diesen Blumen. Sie wußte schon gar nicht mehr, wohin sie die neuen stellen sollte.
    Und eines Tages gefielen ihr die Blumen einfach nicht mehr. Auch die Luftballons gingen ihr mehr und mehr auf die Nerven. Sie hatte es satt, die ganze künstliche Farbenpracht jede Woche einmal abzustauben - und außerdem hatte sie tags zuvor einen Mann kennengelernt, der über die Zauberei mit Ballons und Blumen nur hämisch gelacht hatte.
    „Komm zu mir, wenn du einmal traurig bist“, hatte er zu ihr gesagt, „ich werde dir ganz andere Sachen zeigen.“
    Als ihr Mann an diesem Abend ihr nachdenkliches Gesicht mit seinen bunten Luftballons aufheitern wollte, schrie sie ihn an: Er solle sie in Ruhe lassen. Dann stürzte sie aus dem Haus und ging zu dem anderen.
    Weinend erzählte sie ihm von der Auseinandersetzung. Noch während ihr die Tränen aus den Augen rannen, murmelte der Mann einige seltsame Laute und strich ihr mit den Händen über die Augen. Unter den zarten Berührungen verwandelten sich die Tränen in glitzernde, kleine Steine, die in sich die Farben des Regenbogens trugen. Die junge Frau war darüber so erstaunt und freudig erregt, daß sie auf der Stelle alle Tränen vergaß und nur noch die herrlichen Steine anstarrte.
    „Bleib bei mir“, flüsterte der Mann, „ich werde deine Tränen in kleine Kostbarkeiten verwandeln. Bei mir wirst du nie mehr traurig sein.“ Und die Frau blieb bei ihm.
    Immer wenn sie traurig war und weinte, setzte sich der Mann zu ihr, murmelte seltsame Beschwörungslaute, strich ihr über die Augen und verwandelte alle Tränen in funkelnde Perlen und Steine. Der Frau gefielen diese Kostbarkeiten so sehr, daß sie manchmal sogar weinte, ohne überhaupt traurig zu sein. Sie konnte sicher sein, daß jede ihrer Tränen verwandelt wurde, noch bevor sie über die Wangen rollen konnte.
    Mit der Zeit jedoch spürte sie, daß ihr die Perlen nicht mehr genügten. Oft war sie nämlich traurig, ohne weinen zu können. Und dann konnte ihr der Mann keinen Trost geben. Manchmal wünschte sie sich dann zurück zu jenem Mann, der diese schönen bunten Luftballons hatte zaubern können. Fast wäre sie eines Tages auch zu ihm zurückgekehrt — doch da lernte sie einen Mann kennen, der sie so sehr beeindruckte, daß sie sofort bei ihm blieb.
    Wie so oft war sie traurig, ohne den Grund zu wissen. Dieser Mann sah es ihr sofort an. Ohne ein Wort zu sagen, bewegten sich seine Hände anmutig fließend in ihre Richtung. Im Rhythmus dieser Bewegungen spürte die Frau plötzlich, daß ihr warm und immer leichter wurde. Schwerelos, wie eine feine Feder im Sommerwind, begann sie zu schweben. Dieses Gefühl war so schön, so leicht und behütet, daß sie sofort alle Traurigkeit vergaß. Es war, als würde sie ihrem Kummer einfach davonfliegen.
    Dies war genau das Gefühl, das sie immer gesucht hatte. War sie traurig, blickte ihr der Mann in die Augen, hielt seine Hände in ihre Richtung und ließ diese anmutig tanzen. Im Zauber dieser Bewegungen begann die Frau zu schweben. Die Beine lösten sich vom Boden. Ihr Körper wurde leicht und schwach, fast willenlos. Das Gefühl war so herrlich, daß sich die Frau sehr oft wünschte, schweben zu dürfen. Der Mann erfüllte ihr diesen Wunsch nur allzu gern. War er doch glücklich, wenn die junge Frau im Takt seiner Arme, zur Melodie seiner Hände über dem Boden schwebte.
    Eines Tages jedoch war die Frau wütend auf den Mann. Sie
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