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Die Farben der Wirklichkeit

Die Farben der Wirklichkeit

Titel: Die Farben der Wirklichkeit
Autoren: Körner
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der Junge erwiderte, daß er gerade sein Bestes ihnen nicht geben, sondern für sich behalten wolle. Da warfen sie ihm Hartherzigkeit und Undankbarkeit vor, versuchten ihn einzuwickeln und zu erpressen. Aber er konnte hart bleiben und ging nicht mehr zurück.
    Auch in der Fremde hatte er es nicht leicht. Außer Angst, Hetze und Gehorsam hatte er ja nichts gelernt, hatte immer nur Enttäuschungen erfahren. Und jetzt merkte er die schlimmen Folgen: Wenn ihm jemand Essen und Trinken anbot, eilte er oft so gehetzt daran vorüber, daß er nie richtig satt wurde. Hunger und Durst wurden niemals wirklich gestillt, sondern immer nur oberflächlich. Die Menschen in seiner neuen Umgebung dachten mit der Zeit, daß er einfach nicht richtig essen und trinken wolle und beließen es dabei.
    Und meinte es jemand besonders gut mit ihm, lud ihn ein, sich bei ihm auszuruhen, anzulehnen und wohlzufühlen — sah der Junge plötzlich die steinernen Brüste vor sich, spürte ihre Kälte und Härte, fühlte wieder die maßlose Enttäuschung — und immer dann bekam er Angst, doch wieder nur enttäuscht zu werden und ergriff die Flucht.
    Er floh noch oft in seinem Leben. Auch später, als erwachsener Mensch, lief er häufig davon. Und sehr oft floh er zu Unrecht, denn viele Menschen meinten es wirklich gut mit ihm. Aber das konnte er ja nicht wissen.
    Eines Nachts träumte er von einem Pfad, der ihn hinführte zu Menschen, und von Kindern, die ihm den Weg wiesen. Er träumte von Gesichtern, die ihn aufschlossen, und davon, daß die Angst wich, daß Freude an guter Nähe in ihm keimte. Und als er erwachte, hatte die Wirklichkeit eine andere Farbe gewonnen.
     



Kristiane Allert-Wybranietz
    Das Hexenteam
     
    E s war gar nicht allzuweit weg und auch noch nicht allzulange her, da lebten eine Prinzessin und ein Prinz. Ich weiß nicht, ob sie so schön waren, wie Prinzessinnen und Prinzen in Märchen zu sein pflegen und finde es auch nicht wichtig. Auf jeden Fall liebten diese beiden einander sehr.
    Leider waren sie schon mit anderen Partnern vermählt, die diese Beziehung nicht gutheißen wollten. Trotzdem waren die Prinzessin und der Prinz häufig zusammen. Sie achteten einander, ließen sich gegenseitig gelten und liebten sich trotzdem - oder gerade deshalb. Nichts schien sie jemals trennen zu können.
    Ihre Partner und natürlich die Verwandten gaben aber keine Ruhe. Sie konnten sich mit einer solchen Beziehung nicht abfinden und versuchten mit allen Mitteln, das Liebespaar zu trennen. Nachdem Bitten, Drohungen, Intrigen und all diese üblichen Einmischungen nichts fruchteten, entschied man sich, die Magie zu Rate zu ziehen.
    Es wurden einige bekannte Hexen beauftragt, dieses „Problem“ aus der Welt zu schaffen. Noch am gleichen Abend tagte das Hexenteam. Es waren fähige Hexen mit viel Erfahrung zugegen: Die Hexe „Gewohnheit“, die Hexe „Bequemlichkeit“ und — die schlimmste von allen — die Hexe „Angst“.
    Wie es sich für ein solch berühmtes Hexenteam gehört, erarbeiteten sie sogleich ein vortreffliches Programm, um die beiden Liebenden auseinander zu bringen und schließlich zu trennen. Die Prinzessin und der Prinz wußten von alledem nichts. Sie trafen sich weiterhin, fühlten sich wohl beieinander und bei jedem Abschied ausgeglichen, verstanden und ein kleines Stückchen reicher. Dann schlugen die Hexen zu.
    An diesem Tag hatte der Prinz wichtige Geschäfte zu erledigen gehabt und wäre beinahe zu spät zum Rendezvous gekommen. Fis hatte ihm nicht gereicht, wie sonst immer einen Blumenstrauß für seine Geliebte zu pflücken — und warten lassen wollte er sie nicht. Seltsamerweise — war es nun Zufall oder schon Hexenwerk — hatte auch die Prinzessin keine süße Leckerei gefunden, wie sie sonst ihrem Prinzen immer eine mitgebracht hatte. Irgendwie war das Richtige nicht dagewesen oder für ihren Geliebten nicht gut genug erschienen.
    So standen sie sich zum ersten Male mit leeren Händen gegenüber. Ihr Zusammensein verlief harmonisch wie immer, und keiner von beiden fragte den anderen, warum er heute nichts mitgebracht habe. Die Hexe „Angst“ hatte ihren ersten Einsatz. Jeder fürchtete, vom anderen zu erfahren, daß die Gefühle sich verändert hätten, vielleicht erkaltet waren, und daß deshalb Blumenstrauß und Süßigkeit gefehlt haben. Natürlich wußte jeder, daß es einfach eine Vergeßlichkeit gewesen sein mochte, möglicherweise Zeitmangel — aber zu fragen wagte keiner. Die Unsicherheit
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