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Die Farbe Des Zaubers

Die Farbe Des Zaubers

Titel: Die Farbe Des Zaubers
Autoren: Robert Asprin
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die verfluchte Beysa, außerdem eine Göttin, die Mutter Bey, die in Liebe oder Haß mit Jihans schrecklichem Vater, Sturmbringer, verbunden war. Und diese beiden Gottheiten wachten über den Winterpalast, während in ihm Niko mit den Kindern spielte und Tempus mit dem Schicksal von Sterblichen.
    Sie zitterte, als sie Tempus und Niko an einem Ort sah — eben dem, wo ihre überlebende Schlange als beysibische Schlange getarnt durch die Korridore glitt und biß und tötete, wo sie konnte.
    Gut! Gut, dachte sie und holte Nikos Gesicht an die Oberfläche der Schale. Doch diesmal war er nicht allein. Über eine Schulter blickte der Geheimnisvolle — oder der rankanische Sturmgott, der genauso aussah; über die andere das Gesicht einer Frau, und dieses Gesicht war auf schreckliche Weise schön — es war ihr eigenes.
    Obwohl ihr die Bedeutung verborgen blieb, erschreckte sie Roxane.
    Sie konnte nicht mehr tun, als in ihren Kräften stand, und mußte bestimmte Wörter sagen.
    Sie rief sie, und Feuerzungen beleuchteten das dunkle Zaubergemach. Das Licht berührte die Machtkugel in ihrem Versteck aus Nichts, und sie begann sich zu drehen.
    Wenn es einen verbindenden Schicksalsfaden zwischen ihr und dem ungeheuerlichen Tempus gab, dann mußte dieser Faden durchschnitten werden. Selbst wenn es um Nikos Leben ging, mußte sie es tun. Und auf keinen Fall durfte das Gottbaby am Leben bleiben. Leben und Seelen beider Kinder hatte sie einem gewissen Dämon versprochen, dessen intime Bekanntschaft sie an diesem Abend gemacht hatte.
    Die Kälte, die sie spürte, die ihre dunkle, samtweiche Nisibisihaut mit Gänsehaut überzog, die ihre Lippen, die wohl schönsten, die je Menschen verdammten, erzittern ließ - diese Kälte hatte etwas mit Verlieren oder Siegen zu tun, mit Vergehen oder Überleben.
    Als die Haustür unter einem Kratzen von außen erzitterte, traf sie ihre Entschscheidung.
    Sie drehte die Kugel schneller und badete ihr Gesicht in dem Licht der farbigen Steine.
    Rauschender Wind füllte das Zaubergemach, in dessen Mitte sich nun eine Frau verwandelte.
    Schwarzer Dunst wallte um die anziehendste Frauengestalt, die man sich vorstellen konnte. Schwarzes Haar wuchs und bedeckte 153 formvollendete Gliedmaßen, die jeden Mann zu betören vermochten.
    Und bis Schnapper Jo, der sich die Klauen an seiner Schankschürze abwischte, es für angebracht hielt, sich die Tür selbst aufzumachen, stand im Gemach statt Roxane ein Adler mit einer Flügelbreite von zehn Fuß.
    Und Schnapper, ihr Spitzel unter den Bürgern Freistatts, der im Wilden Einhorn den Schankburschen machte, ließ seine vorstehenden Kiefer vernehmlich zusammenschnappen und rang die warzigen Klauenhände.
    »Gebieterin«, gurgelte er mit seiner knirschenden Dämonenstimme, »seid Ihr das?« Seine Augen, die überallhin schauten, betrachteten in dem dämmrigen Licht blinzelnd den Adler. Er kauerte sich nieder, verschränkte die schlaksigen grauen Beine unterwürfig. »Roxane?« versuchte er es aufs neue. »Habt Schnapper gerufen, nicht wahr? Hier bin ich, wofür? Für Mord? Soll morden heut nacht?«
    Der Adler legte den Kopf schief, blickte ihn an und stieß einen Schrei aus, den kein Dämon mißverstehen könnte, dann flatterte er an Schnapper Jo vorbei durch die Tür und ließ ihn mit einer Fleischwunde zurück, die viel schärfere Krallen als seine eigenen verursacht hatten.
    »Verdammt und verdammt und mordverdammt«, murmelnd folgte ihr der Dämon. Er blickte von der Seite auf ihren schwarzen Schatten, der sich vom mondlosen Himmel abhob, und kaute frustriert an einer langen orangefarbenen Strähne seines Haares. Ein Mensch zu sein war sein Wunsch; von Roxane frei zu sein, sein heimlicher Traum. Doch manchmal befürchtete er, daß er nie von ihr freikommen würde.
    Und das Problem war, daß es ihn in Augenblicken wie diesem auch gar nicht scherte. Er war so durstig nach Blut, daß allein der Gedanke an Gemetzel ihn schwindelig machte.
    Also eilte er dahin, folgte dem Adler durch die Nacht und kicherte vor sich hin, als ihn Roxane zum Winterpalast führte. Im Schlachthausviertel hielt er jedoch an, als er über eine noch frische, blutige Leiche stolperte — ein Leckerbissen, den er sich nicht entgehen lassen konnte.
    Jihan hatte ihre Schuppenrüstung abgelegt und lag auf Nikos Bett in der Kinderstube, allein mit den zwei Kindern, die sie an ihre Brust drückte, als die mannsgroße Schlange lautlos hereinglitt.
    Die Frosttochter war nicht menschlich, aber einsam.
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