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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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und schief anblickte, der sich über nichts auszusprechen wagte, kein Vertrauen hatte, mußte nach der Ansicht der Frau Chapuzot ein Ungeheuer sein.
    »Dies Ungeheuer will dich nur ködern, um dich zu etwas Unrechtem oder zu einem Verbrechen zu mißbrauchen. Bei Gott, wenn du vor Gericht kämst oder gar, ich schaudre vom Kopf bis zu den Füßen, ich zittre, wenn ich nur davon spreche, vor die Zuchtpolizei, wenn dein Name in die Zeitungen kommt ... Weißt du, was ich an deiner Stelle täte? Na, an deiner Stelle machte ich zu meiner eigenen Sicherheit Anzeige bei der Polizei.«
    Eines Tages quirlten die tollsten Gedanken in Malagas Hirn, und als Paz seine Goldstücke auf den Samt des Kaminsimses legte, nahm sie das Gold und warf es ihm mit den Worten ins Gesicht: »Ich will kein gestohlenes Geld!«
    Der Kapitän gab Chapuzot das Geld und kam nicht wieder. Clementine verbrachte damals die schöne Jahreszeit auf dem Gut ihres Onkels, des Marquis von Ronquerolles in Burgund. Als die Zirkustruppe Thaddäus nicht mehr an seinem Platze sah, entstand ein Gerede unter den Künstlern. Die einen stellten Malagas Seelengröße als Dummheit hin, die andern als Gerissenheit. Auch den erfahrensten Frauen, denen das Benehmen des Polen erklärt wurde, kam es unerklärlich vor. Thaddäus bekam in einer einzigen Woche siebenunddreißig Briefe von leichtlebigen Weibern. Zu seinem Glück erregte seine erstaunliche Zurückhaltung keine Neugier in der großen Welt und blieb nur ein Gesprächsstoff der Halbwelt.
    Zwei Monate später steckte die schöne Kunstreiterin tief in Schulden, und so schrieb sie ihm folgenden Brief, den die Dandys damals als Meisterstück ansahen.
    »Sie, den ich noch meinen Freund zu nennen wage, haben Sie noch Mitleid mit mir nach dem Vorgefallenen, das Sie so falsch ausgedeutet haben? Alles, was Sie verletzen mochte – mein Herz leugnet es ab. Wenn ich das Glück hatte, daß Sie Gefallen am Zusammensein mit mir fanden, so kehren Sie wieder, sonst versinke ich in Verzweiflung. Das Elend ist bereits da, und Sie wissen nicht, was für dumme Sachen es mir beschert hat. Gestern habe ich von einem Hering für zwei Sous und einer Semmel für einen Sou gelebt. Ist das das Frühstück Ihrer Liebsten? Ich habe die Chapuzots, die mir so ergeben schienen, nicht mehr. Ihr Verschwinden hat mich auf den Grund der menschlichen Anhänglichkeit blicken lassen ... Ein Hund, den man gefüttert hat, verläßt einen nicht mehr; die Chapuzots sind fort. Ein Gerichtsvollzieher, der den Tauben spielte, hat alles im Namen des herzlosen Wirtes beschlagnahmt, und im Namen des Goldschmieds, der keine zehn Tage warten kann. Denn mit Ihrem Vertrauen ist auch der Kredit futsch! Welche Lage für Frauen, die sich nichts vorzuwerfen haben als Freude! Mein Freund, ich habe alles, was irgend von Wert war, ins Leihhaus gebracht, ich habe nichts mehr als die Erinnerung an Sie, und die schlechte Jahreszeit steht vor der Tür. Im Winter werde ich ohne Heizung sein, denn im Boulevardtheater werden nur Stücke mit stummen Rollen gegeben, und ich habe dort nur ganz kleine Rollen zu spielen, die eine Frau nicht herausstreichen. Wie konnten Sie an der Lauterkeit meiner Gefühle für Sie zweifeln, denn schließlich haben wir doch nicht zweierlei Art, um unsere Dankbarkeit auszudrücken! Sie schienen so froh, daß es mir gut ging, und nun haben Sie mich im Elend gelassen! Oh, mein einziger Freund auf Erden, verzeihen Sie mir, daß ich wissen wollte, ob ich Sie für ewig verloren habe, bevor ich wieder mit dem Zirkus Bouthor auf den Jahrmärkten herumziehe, denn so werde ich wenigstens meinen Unterhalt verdienen! Wenn ich in dem Augenblick, wo ich durch den Reifen springe, an Sie denken muß, kann ich mir leicht die Beine brechen, indem ich ein Tempo verpasse! Wie es aber auch sei, ich bin fürs Leben Ihre
    Margarethe Turquet.«
    »Dieser Brief,« sagte sich Thaddäus herausplatzend, »ist meine 10 000 Franken wert!«
    Clementine kehrte am nächsten Tage zurück, und Paz sah sie am folgenden Tage schöner und anmutiger denn je. Während der Mahlzeit trug die Gräfin gegen Thaddäus die größte Gleichgültigkeit zur Schau, aber nachher, als der Kapitän fortgegangen war, kam es zu einer Szene zwischen dem Grafen und seiner Gattin. Unter dem Vorwand, Adam um Rat zu fragen, hatte Thaddäus ihm gleichsam versehentlich Malagas Brief dagelassen.
    »Armer Thaddäus!« sagte Adam zu seiner Gattin, als Paz sich gedrückt hatte. »Welch ein Unglück für einen Mann
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