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Die falsche Geliebte (German Edition)

Die falsche Geliebte (German Edition)

Titel: Die falsche Geliebte (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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seines Ranges, der Spielball einer Kunstreiterin niedrigster Sorte zu sein! Er wird dabei alles verlieren, wird sich erniedrigen, wird in kurzem nicht wiederzuerkennen sein. Da, Liebste, lies,« sagte der Graf und reichte seiner Gattin Malagas Brief.
    Clementine las den Brief, der nach Tabak roch, und warf ihn mit einer Gebärde des Ekels fort. »Wie dicht die Binde auch sei, die er vor den Augen trägt,« versetzte Adam, »irgend etwas wird er doch gemerkt haben. Malaga wird ihm Streiche gespielt haben.«
    »Und er geht wieder zu ihr!« sagte Clementine. »Er wird ihr verzeihen. Nur für solche scheußlichen Weiber habt ihr ja Nachsicht!«
    »Sie haben es auch sehr nötig,« versetzte Adam.
    »Thaddäus kam wieder zu sich ..., als er ihr fernblieb,« fuhr sie fort.
    »Oh, mein Engel, du gehst sehr weit,« sagte der Graf. Es war ihm zwar sehr lieb gewesen, seinen Freund in den Augen seiner Gattin herabzusetzen, aber den Tod des Sünders wollte er nicht.
    Thaddäus, der Adam genau kannte, hatte ihn um tiefste Verschwiegenheit gebeten. Er hatte gleichsam gebeichtet, um Verzeihung für seine Verschwendung zu finden und seinen Freund um die Erlaubnis zu bitten, tausend Taler für Malaga zu leihen.
    »Er ist ein Mann von stolzem Charakter,« fuhr Adam fort.
    »Wieso?«
    »Nun, er hat nicht mehr als 10 000 Franken für sie verausgabt und läßt sich einen solchen Brief schreiben, ehe er ihr das Geld zur Bezahlung ihrer Schulden bringt! Für einen Polen, weiß Gott, ist das viel.«
    »Aber er kann dich doch zugrunde richten,« sagte Clementine mit dem scharfen Ton der Pariserin, wenn sie ihr katzenhaftes Mißtrauen äußert.
    »Oh, ich kenne ihn!« entgegnete Adam, »er würde Malaga für uns preisgeben.«
    »Das werden wir sehen,« erwiderte die Gräfin. »Wäre es zu seinem Glück nötig, so zauderte ich nicht, ihn zu bitten, daß er sie aufgibt. Wie Konstantin mir sagte, ist Paz, der bis dahin so nüchtern war, zur Zeit seines Verhältnisses bisweilen stark angeheitert heimgekehrt ... Artete er zum Trunkenbold aus, ich wäre ebenso betrübt, wie bei meinem eigenen Kinde.«
    »Ich will nichts mehr davon hören,« rief die Gräfin mit einer neuen Gebärde des Ekels.
    Zwei Tage später merkte der Kapitän am Benehmen, am Tonfall und in den Augen der Gräfin die furchtbare Wirkung von Adams Indiskretion. Die Verachtung hatte Abgründe zwischen dieser reizenden Frau und ihm aufgerissen. So versank er denn in tiefe Schwermut und wurde von dem Gedanken verzehrt:
    »Du selbst hast dich ihrer unwürdig gemacht!«
    Das Leben wurde ihm zur Last, die schönste Sonne war in seinen Augen grau. Und doch fand er in diesem Meer bittrer Schmerzen noch Augenblicke der Freude: ungefährdet konnte er sich seiner Bewunderung für die Gräfin überlassen, die ihn nicht mehr der geringsten Beachtung würdigte, wenn er bei Festen stumm, aber ganz Auge und Herz, in einer Ecke stand und keine ihrer Stellungen, keins ihrer Lieder verlor, wenn sie sang. Er lebte endlich wieder jenes schöne Leben, konnte selbst das Pferd pflegen, das sie ritt, konnte sich der Wirtschaft dieses glänzenden Hauses widmen, für dessen Gedeihen er seine Hingebung verdoppelte. Diese stummen Freuden blieben in seinem Herzen begraben wie die einer Mutter, von deren Herzen das Kind ja auch nichts weiß; denn ist das Wissen, wenn man etwas nicht weiß? War dies nicht schöner als Petrarcas keusche Liebe für Laura, die sich noch schließlich bezahlt machte – durch einen Schatz von Ruhm und den Triumph der Dichtkunst, die sie eingeflößt hatte ? Wiegt das Gefühl, das ein d'Assas bei seinem freiwilligen Heldentod empfand, nicht ein Leben auf? Dies Gefühl hatte Paz täglich, ohne zu sterben, freilich auch ohne den Lohn der Unsterblichkeit. Was liegt also in der Liebe, wenn Paz trotz dieser geheimen Wonnen von Kummer verzehrt ward? Der Katholizismus hat die Liebe so groß gemacht, daß er in ihr Achtung und Edelsinn sozusagen unlöslich verbunden hat. Liebe ist ohne die hohen Eigenschaften, auf die der Mensch stolz ist, nicht möglich, und man wird so selten geliebt, wenn man verachtet wird, daß Thaddäus an den selbstgeschlagenen Wunden starb. Zu hören, daß sie ihn geliebt hätte, und zu sterben! ... Damit hätte der arme Liebhaber sein Leben hinreichend bezahlt gefunden. Die Ängste seines früheren Daseins schienen ihm erträglicher, als das Leben in ihrer Nähe, wo er sie mit Edelmut überhäufte, ohne anerkannt, verstanden zu werden. Kurz, er wollte den Lohn seiner
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