Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Falken und das Glück - Roman

Die Falken und das Glück - Roman

Titel: Die Falken und das Glück - Roman
Autoren: Reber Sabine
Vom Netzwerk:
zuckte Linda zusammen. Aber Daniel blieb ruhig. Er blieb auch ruhig, als sie vor einem Rotlicht warten mussten, er regte sich nicht einmal auf, als in Murrisk eine Schafherde vor ihnen über die Landstraße getrieben wurde, Hunderte von Tieren, denen blaue Zeichen auf die Felle gesprayt worden waren. Gemächlich zottelten die Schafe über den löchrigen Asphalt, fraßen Grasbüschel am Straßenrand und rieben ihre zottigen Felle an Zaunpfosten.
    Die Hinfahrt sei furchtbar gewesen, brach Daniel schließlich das Schweigen.
    Sie abholen zu müssen, war ihm eine Zumutung, das hatte sie erwartet. Aber sie hatte schließlich kein Auto mehr. Er hatte beide Wagen behalten wollen. Und sie war zu erschöpft gewesen, um auch darum noch zu kämpfen. Sie entschuldigte sich, dass sie in Galway keinen Mietwagen genommen hatte. Kaum war sie bei Daniel angekommen, entschuldigte sie sich schon wieder. Und verachtete sich deswegen.
    Die Rosen blühten, als Linda in ihren irischen Garten zurückkehrte. Am Zaun leuchtete die gelbe Canary Bird, und Mme Caroline Testout zeigte frivole Rüschen. Der Liebstöckel griff mit gelben Körben nach den Wolken. Die Schwertlilien, um deren Gedeihen sie jahrelang gerungen, deretwegen sie schubkarrenweise Kies in die feuchte Erde geschaufelt hatte, blühten zum ersten Mal in ihrer ganzen Pracht. Der blaue Scheinmohn aus dem Himalaya erstrahlte blauer denn je. Und über allem loderten die wilden Montbretien.
    Linda streifte Blattläuse von den Knospen der späteren Rosen, fuhr mit dem Finger über die pelzigen Blätter von Rhododendron Falconeri, der sich im Schatten hinter dem Cottage wohlfühlte. Sie ließ die dunkle Erde durch ihre Hände rieseln, diesen Humus, in dem Stockrosen und Kräuter und Escaloniabüsche windschief dem Himmel entgegenwuchsen. Sie naschte vom japanischen Senf, probierte die ersten Kiefelerbsen. Sie überprüfte die Stützen der Rittersporne und Dahlien, wollte vermeiden, dass die Blumenrabatten in sich zusammenstürzten, sobald sie ihnen den Rücken kehrte. Die Staudenbeete zeigten sich von ihrer besten Seite: Türkenmohn, Storchenschnäbel, Lupinen, die tränenden Herzen, alles, alles blühte an diesem lauen Abend spät im Mai. Es kam ihr vor, als wüssten die Pflanzen, dass sie im Begriff war, sie für immer zu verlassen, als versuchten sie Linda mit all ihren Kräften umzustimmen.
    Daniel aber sah die blühende Pracht als Provokation. Ihm kam es vor, als verhöhnten die Blumen ihn, wie sie hier und dort über den Rand der Beete quollen, wie sie Triebe und Ableger nach allen Richtungen streckten, wie sie Samen in den Wind streuten und sich vermehrten. Die Wüchsigkeit von Lindas Garten bedrohte seinen Ordnungssinn.
    Jäten!, befahl er.
    Wie ein strenger Hausmeister stand er hinter Linda, die sich auf ihre alte Bettflasche kniete und mit bloßen Händen verfilzte Grasbüschel aus den Stauden rupfte. Sein Schatten fiel vor ihr in den Frauenmantel, der das große Blumenbeet einfasste.
    Hier ist noch eine Nessel, sein spitzer Zeigefinger stocherte in die Luft. Du hast mir versprochen, dass du dich um den Garten kümmern wirst! Sonst hätte ich dir von vornherein verboten, mein Grundstück umzugraben. Das ist mal eine saftige grüne Wiese gewesen! Hier, ein Löwenzahn! Jäten, hab ich gesagt, du sollst jäten, nicht jammern.
    Ich habe doch gar nichts gesagt.
    Du kommst mir jedenfalls nicht lebendig davon, solange das nicht alles picobello in Ordnung ist!
    Linda hatte ihre Hände mit Mühe gesäubert. Die dunklen Monde unter den Fingernägeln waren im Kerzenlicht kaum zu sehen. Sie trug ihr schwarzes Kleid mit den weißen Punkten. Daniel saß ihr im weißen Leinenhemd gegenüber. Den Veston hatte er über den Stuhl gehängt. Er sah blendend aus, mit dem halb offenen Hemd und den kurzen Haaren. Er war dünner geworden. Seine Gesichtszüge wirkten kantiger. Sein Blick war klar und offen und direkt. Er schien gewachsen in den vergangenen Monaten, hatte Kräfte gefunden, die er zuvor nicht zu nutzen gewusst hatte. Linda bewunderte ihn. Abermals versuchte sie, über sich selbst hinauszuwachsen, versuchte sich vorzustellen, sie könnte stark genug werden, um an seiner Seite zu bestehen. Er strahlte eine Sicherheit aus, die sie lange nicht mehr an ihm gesehen hatte. Er sah ihr tief in die Augen, voll Hoffnung, wenn er es nur fest genug wolle, komme sie zurück. Sie fragte sich, ob sie daran war, den größten Fehler ihres Lebens zu begehen.
    Er umgarnte sie. Linda war wütend, dass er
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher