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Die Falken Gottes

Die Falken Gottes

Titel: Die Falken Gottes
Autoren: Michael Wilcke
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gesteckt?«
    Anneke betastete ihre schmerzende Wange. Sie fühlte sich gedemütigt, doch sie war auch erleichtert, daß Seybert sie hier in die Braustube geschafft hatte – fort von seinem herrischen Weib, das Anneke gewiß mit dem Stock geprügelt hätte, wenn Seybert sie nicht mit sich genommen hätte. |24| Vielleicht, so machte sie sich Mut, würde die Wut der Monsbach-Wirtin in einigen Stunden bereits ein wenig verraucht sein.
    Sie trat zu dem kleinen runden Fenster, von wo aus sie auf den Hof schauen konnte, und sah, wie der Schiefnasige auf der Straße davonritt.
    »Wer war dieser Mann, dem ich auf dem Hof begegnet bin?« wollte sie wissen. Seybert antwortete nicht sofort, und so fragte sie noch einmal: »Wer war das?«
    »Was fragst du mich?« meinte er. »Er hat nur einen Krug Bier getrunken. Ich habe ihn weder nach seinem Namen noch nach seinem Reiseziel oder seinem Familienstand ausgefragt. Nicht jeder ist so neugierig wie du.«
    »Er hat im Wald einen Mann getötet.«
    Seybert hob nur beifällig die Schultern. »So, hat er das?«
    »Ich habe es mit meinen eigenen Augen gesehen. Soll ich Euch zu der Leiche führen? Er hat sie in einer Senke im Wald zurückgelassen.«
    »Halt bloß dein Maul«, fuhr Seybert sie an. »Im ganzen Land sterben die Menschen wie die Fliegen. Was schert mich da eine Leiche im Wald? Kein Wort mehr darüber, sonst bleibt es nicht bei der einen Ohrfeige. Soll meine Frau noch weiteren Verdacht schöpfen? Ich weiß doch schon nicht, wie ich es ihr erklären soll, warum du das Buch bei dir getragen hast.«
    »Ihr findet gewiß die richtigen Worte«, meinte sie, wohlwissend, daß Seybert ohnehin alle Schuld auf sie schieben würde.
    »Wir werden sehen.« Der Schankwirt legte eine Hand auf ihren Hintern, griente und zeigte dabei mehrere faule Zahnstümpfe. Anneke drängte seine Finger fort und machte sich mit einem abfälligen Schnaufen an die Arbeit.

|25| Kapitel 3
    Die Finger schnappten nach Annekes Handgelenk und hielten es in einem festen Griff gefangen. Sie wurde nach unten gezogen, ihr Kopf sank zum Waldboden, dorthin, wo das wächserne Gesicht des Toten sich aus dem Laub erhob. Er starrte sie an. Seine Stimme drang an ihr Ohr, obwohl die blassen Lippen geschlossen blieben.
    Magnus Ohlin,
hallte es in ihrem Kopf.
    Magnus Ohlin.
    Magnus Ohlin.
    Anneke spürte eine Hand an ihrer Schulter und schrak aus dem Schlaf auf.
    Nur langsam wurde ihr bewußt, daß der Tote sie einmal mehr in ihren Träumen heimgesucht hatte und daß Lenes Gesicht, das sich über sie beugte, zu der wirklichen Welt gehörte.
    Anneke atmete beherzt aus, erleichtert darüber, daß sie sich in ihrer Kammer befand, in der sie sich mit Lene ein Bett teilte. Sie zitterte. Lene beruhigte sie, indem sie ihr über das Haar strich. »Wieder dieser Mann?« fragte die Monsbach-Tochter.
    »Der Tote aus dem Wald.« Anneke nickte matt. »Er kommt jede Nacht zu mir. Lene, ich fürchte, er hat mich verflucht.« Sie seufzte. Sieben Tage waren vergangen, seit sie den Mord beobachtet hatte, und seitdem war sie in jeder Nacht von den Alpträumen heimgesucht worden.
    »Du hast im Schlaf gesprochen.«
    Anneke richtete sich auf. »Wieder diesen Namen?«
    »Magnus Ohlin.«
    |26| Anneke rieb über ihr Gesicht und stieg aus der Bettstatt. Ein einzelnes Talglicht warf einen schalen Schimmer in die kleine Kammer. Sie schaute zum Fenster. Durch das Butzenglas konnte sie erkennen, daß es draußen noch stockdunkle Nacht war. Aus dem Nebenraum, den am gestrigen Abend drei Schweden bezogen hatten, drang das Geräusch eines dumpfen Hustens zu ihnen.
    »Zum Teufel mit diesem Magnus Ohlin«, meinte Anneke. Im nächsten Moment zuckte sie zusammen, als eine Faust gegen die Tür hämmerte. Für einen Augenblick glaubte Anneke, der Tote wäre aus seinem Grab gestiegen und ihr bis zur Schenke gefolgt, doch die herrische Stimme der Monsbacherin erlöste sie von dieser Sorge.
    »Raus mit euch, oder wollt ihr schlafen, bis die Sonne am Himmel steht? An die Arbeit! Rasch!«
    Lene sprang aus dem Bett und kämmte eilig ihr Haar, während Anneke den Inhalt des Nachtgeschirrs aus dem Fenster schüttete.
    »Glaubst du das wirklich?« wollte Lene wissen.
    Anneke runzelte die Stirn. »Was?«
    »Daß dieser Mann dich mit einem Fluch belegt hat.«
    »Er hat mich im Moment seines Todes festgehalten.« Anneke rieb über ihren Unterarm. Bildete sie es sich nur ein, oder spürte sie dort auch jetzt noch ein leichtes Brennen auf der Haut? »Wer weiß, welche Kräfte er
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