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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Fu
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mit einer unverbrauchten Scherbe einen kräftigen, finalen Schnitt tat.
    Als
sie aus dem Badezimmer trat, sah sie die Korken der Weinflaschen in ihren
Flaschenhälsen schimmern, und ein merkwürdiges Gefühl überkam sie, dass dies
Bild nicht stimmte, dass sie etwas tun musste, und sie entfernte die Korken und
beschloss sie mitzunehmen, wohin immer sie jetzt ginge, was auch immer sie
erwartete.
    Sie
stieg in den Fahrstuhl und drückte mit dem Ellenbogen auf den Knopf. Mit einem
dezenten, weichen Klacken schlossen sich die Türen. Zum ersten Mal seit Jahren
hatte Frau Weinwurm das Gefühl ohne Beklemmungen atmen zu können.

Fea, fuerte y formal
    Frau
Weinwurm klopfte die Erde fest, packte die kleine Schaufel, die sie sich von
Rudi Schleinitz geliehen hatte, in ihren Rucksack und stand auf. Ihre bunten Turnschuhe
glänzten auf dem ockerfarbenen Boden wie zwei Leuchtbojen, und Frau Weinwurm
ließ ein letztes Mal den Blick an ihrem Kaktus entlanggleiten.
    Goodbye, Daddy !
    Sie
wischte sich eine sentimentale Träne - nun reiss dich mal zusammen, meine
Liebe! - aus dem Augenwinkel und stapfte über den Hügel, ohne sich noch
einmal umzusehen.
    Es
war früher Morgen, angenehm kühl und der Himmel glänzte frischgewaschen. Tief
sog Frau Weinwurm die Luft ein, einmal, zweimal, dann rannte sie los, den Blick
auf ihre Schuhspitzen gerichtet.
    Wann
hatte sie die Schuhe gekauft?
    Vor
Jahren schon, aus einem Impuls heraus, nie hatte sie sie angezogen, aber sie
hatte sie erstanden, von einer winzig kleinen Hoffnung getrieben, dass sie
vielleicht einmal wieder rennen würde, hatte sie den Laden betreten, und wie
wichtig waren sie jetzt, so bequem und anschmiegsam, federleicht würden sie sie
an ihr Ziel tragen! Sie hüpfte über eine Bodenwelle und dachte an den jungen
Verkäufer mit dem militärischen Bürstenhaarschnitt und dem trapezförmigen
Oberkörper, der damals vor ihr kniete und ihr einen Schuh nach dem anderen über
ihre weißen Häkelsöckchen stülpte. »Ich kann Ihnen diesen Schuh nur
empfehlen, denn sehen Sie hier, genau hier an diesen Stellen: diese Vorrichtung
garantiert im Fersenbereich eine maximale Schockabsorption, ja, nicht nur an
der Ferse sondern auch am Vorfußbereich. Und die Rückfuß-Dämpfung! Was soll ich
sagen? Super, sage ich da!« »Schockabsorption?« »Genau.«
    Er hatte nicht mit der
Wimper gezuckt, dachte Frau Weinwurm, als diese große Frau in seinen Laden
gestapft kam, ein unförmiges, fahles Wesen, dem man ansah, dass es keinen Sport
trieb, und dennoch umgarnte er sie mit einer Begeisterung, als sei ausgemacht,
dass sie beim nächsten New York-Marathon starten würde. Bernardo, überlegte
Frau Weinwurm und hob den Blick zu den dunklen Bergen, über denen langsam die
ersten Sonnenstrahlen auftauchten, sollte auch etwas tun, was er liebte, er
musste Ingenieur werden oder was immer ihm gefiel, Hauptsache, er kam aus dem
Motel heraus.
    Die
bunten Joggingschuhe hopsten über den Wüstenboden, tänzelten, jagten sich, ein
Fuß vor den anderen, Frau Weinwurm atmete ruhig und gleichmäßig ein und aus,
obgleich sie aufgeregt war, denn war es nicht ungeheuerlich, dass sie nach all
den Jahren nicht vergessen hatte, wie man in einen steten Rhythmus gelangte?
Der Rucksack schlenkerte fröhlich auf ihrem Rücken, die Arme pendelten locker
an der Seite, ihre Oberschenkel schabten, als rieben sich zwei schmusige weiche
Tierchen mit dem Rücken aneinander. Es war keine Schwere in ihren Waden und so
rannte Frau Weinwurm dahin, den Bergen und der Sonne entgegen, und im Takt
ihres munteren Galopps sang sie laut und falsch und mit einem glucksenden
Lachen in der Stimme:
    »I’ll
never get out of this life alive
    Here
it a woman that's gettin' really mad
    No
matter how I dance this jive
    I'll never get out of this life alive. «
    Sand
rieselte zwischen Bernardos Fingern zu Boden.
    Er
wischte sich den Schweiß von der Stirn und sah sich um. Sie hat’s geschafft,
sie macht mich zu einem ihrer Phantasie-Indianer, jetzt stehe ich hier und
versuche Spuren zu lesen!
    Bernardo
schritt langsam um den Kaktus, einmal, zweimal, betrachtete die alten Spuren
der kantigen Cowboystiefel, die ihn immer nur im Kreis führten, als habe sie
sich in Luft aufgelöst, wohin war sie nur verschwunden?
    Dann bemerkte er die geriffelten
Profilabdrücke von Turnschuhen, die weg vom Highway ins Landesinnere führten.
Hatte er sie jemals in Turnschuhen gesehen? Aber wer sonst trieb sich hier
draußen herum außer Crazy I-Phone? Bernardo zog

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