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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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der Diele unter dem Läufer.
    »Was
ist?«, raunte Liliane heiser und schob sich eine feuchte Haarsträhne aus der
Stirn.
    »Er
ist zurückgegangen, glaub ich.«, flüsterte Ivonne über ihre Schulter. »Steht
wohl jetzt vor der Garderobe und dreht an der Birne, um zu sehen, ob sie
richtig sitzt.«
    Liliane
zog Ivonne mit einem festen Klammergriff zurück in ihr Zimmer, wo sie schnell
die Tür hinter sich schloss.
    »Oh,
Scheisse!«, murmelte Liliane gepresst. »Oh heilige Scheisse!«  
    Ihr
Kiefer mahlte, zuckte. Ihr Gesicht erstarrte plötzlich, ihre Augen weiteten
sich und Ivonne tat es ihr nach, obwohl sie nicht wusste, was Liliane
eingefallen war.
    »Ivonne!
Warum haben wir… denn… warum haben wir denn seine Clogs nicht auf der Treppe
gehört? Die Holzclogs , die hört man bis Timbuktu, wenn er damit die
Treppe runterpoltert! Warum nicht? Warum nicht, Ivonne?«
    Ein
unkontrolliertes Beben erfasste ihr Kinn und setzte sich über ihre gesamten
Gesichtsmuskeln fort, als habe sich eine fremde Macht von winzigen, hüpfenden
Usurpatoren unter ihrer Haut festgesetzt und die Kontrolle übernommen. Ivonne
starrte die Freundin entsetzt an.
    »Wahrscheinlich…
vielleicht ... womöglich hat er sie ausgezogen und ist barfuß heruntergekommen,
oder so?«, stammelte Ivonne und klemmte ihre Hände unter die Achseln, doch der
Frotteestoff war so nass und klamm, dass sie sie sofort wieder hervorzog und
hilflos an den Seiten herabbaumeln ließ.
    »Bist
du sicher? Ist das dein Ernst, könnte das sein?«  
    Liliane
klammerte sich an Ivonnes schlaffen Arm und sah sie bittend an. Jede
Sicherheit, jede Entschlossenheit war aus ihren Zügen verschwunden, Ivonne war
mit einem Mal diejenige, die Halt geben musste, und sie bäumte sich dagegen
auf, schüttelte Lilianes Hand ab und trat einen Schritt zurück, rutschte
quietschend über das Scrabble-Brett.
    »So
hat es sich zumindest angehört!«
    »Bist
du sicher? Bist du sicher? Du hattest doch das Ohr an der Tür, was hast du
gehört? Bist du wirklich sicher?«
    »Nein…
bin ich nicht… nun schau doch nicht so, liebe Zeit, ja, von mir aus, dann bin
ich eben sicher! Ich konnte doch auch nicht alles genau mitkriegen, allerdings
...«
    Ein
dumpfes Poltern unterbrach Ivonne, ein erstickter Schrei, Geräusche, als ob
jemand von enormen Kräften mit einen prall gefüllten Sack auf eine Wand
einschlagen würde, drangen durch die Tür, in ihr Bewusstsein, obwohl beide
instinktiv die Hände an die Ohren gepresst und die Augen zugekniffen hatten,
laut »lalalalalala« sangen, um die Geräusche zu übertönen.
    Es
war Liliane, die sich als Erste fasste, auch wenn sie Ivonne nicht mehr wie ein
Mensch sondern wie ein Roboter vorkam, der darauf programmiert war, in
schneller Abfolge Befehle zu erteilen ohne auf ihre Ausführung zu achten.
    »Los!
Hast du die Taschenlampe? Hast du die Schere? Hast du das Tuch? Mach schnell,
nun mach doch!«
    Sie
schubste Ivonne hektisch in den Abstellraum, durch die Tür in den Flur.
    Nichts
war mehr zu hören.
    Der
Strahl ihrer Taschenlampe beleuchte die ersten drei Stufen und Liliane sprang
hinunter und schnitt die Knoten an der Nylonschnur durch, rollte sie hastig
zusammen und steckte sie unter den Gummibund ihrer Schlafanzughose, dann
wischte sie alles mit dem Tuch ab, wie sie es aus den Wiederholungen der
Edgar-Wallace-Krimis im Fernsehen gelernt hatte. Das Tuch warf sie Ivonne zu,
die es hastig in den Werkzeugkasten in der Abstellkammer stopfte. Auf einmal
überkam Ivonne wieder eine Welle der Übelkeit, und sie musste sich am
Türpfosten festhalten, um nicht zu Boden zu sinken. Liliane huschte zu Ivonne,
und sie sahen, wie unter der Tür von Martins und Thomas Zimmer Licht hindurchdrang;
nun würde bald alles vorbei sein.
    »Was
ist los? Was war das für ein Gepolter? Hallo? Ist dir etwas passiert?«  
    Die
Stimme kam von oben, aus dem Wohnzimmer, in dem der Fernseher verstummt war.
    Liliane
und Ivonne starrten einander an.
    Wie
von selbst fand Ivonnes Hand den Lichtschalter in der Abstellkammer. Der
Lichtstrahl drang bis zur Mitte der Kellertreppe. Ihre Beine setzten sich steif
und zittrig wie bei einem Muskelkrampf in Bewegung, aber sie spürte noch nicht
einmal, wie sie langsam die Stufen hinunterschritt, registrierte nur die Kälte
des Eisengeländers, die durch ihre Handfläche drang. Ivonne stakste bis zum
äußersten Rand des Lichteinfalls, nahm die Hand vom Geländer und hielt sie vor
ihr Gesicht, lugte nur zwischen den gefächerten Fingern
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