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Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm

Titel: Die Ewigen Jagdgruende der Frau Weinwurm
Autoren: Louise Fu
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zu Ivonne stürzte sie das Glas in
einem Zug hinunter und wischte sich den Mund mit dem Handrücken ab. Ein
wohliger Seufzer entfuhr ihr, ihr Rücken wurde geschmeidiger, sackte ein wenig
in sich zusammen, als sie sich wieder umdrehte und ihre Aufmerksamkeit dem
Schneefall und den Skibedingungen im Schwarzwald zuwandte.
    Sie
war so leise und effektiv zu Werke gegangen, dass Ivonne überlegte, wie es
ausgesehen hätte, wenn man ihre Handlungen in der letzten Minute gefilmt hätte.
Wäre auf den Bildern nur ein verstohlenes Huschen, das Gleiten eines Schattens
wie in einem Zeitraffer, ein Gespenst, eine flirrende Halluzination zu erkennen
gewesen?
    »Siehst
du? Und dieses Schwein von Zweitgatte ist schuld!«, flüsterte Liliane Ivonne
zu. Den »Zweitgatten« spuckte sie so gehässig in Ivonnes Ohr, dass sie es sich
unwillkürlich rieb und mit der Hand bedeckte. Aus den Augenwinkeln konnte
Ivonne beobachten, wie sich Frau Piskunov eine Zigarette anzündete und gierig
daran sog. Zufrieden beobachtete sie den Rauch, während ihre Wangen sich
zusammenzogen und wieder aufblähten, und sie den nächsten Schwall Rauch langsam
durch ihre Nase blies. Dann erblickte sie die schlierigen Abdrücke, die Hubert
Piskunovs Fersen auf dem Tisch hinterlassen hatten und der weltvergessene
Ausdruck verschwand aus ihrem Gesicht. In diesem Augenblick bemerkte sie auch
Ivonnes Auge, das an die Sessellehnte gepresst war, und ihre Wangen verfärbten
sich.
    »So,
Mädchen, Zeit für euch nach unten zu gehen!«, kiekste sie betont munter und
klatschte in die Hände, als wäre eine wunderbare Vorstellung zu Ende gegangen.
Dann rannte sie, Zigarette in der Hand, in die Küche und kehrte mit einem
tropfenden Spültuch zurück. Sie wienerte die Stelle von Hubert Piskunovs
Fußabdrücken sauber, wischte sie anschließend mit dem Ärmel ihrer erdfarbenen
Baumwolljacke trocken und deponierte den Lappen auf ihrem Beistelltisch, da
damit zu rechnen war, dass ihr Mann noch ein- oder zweimal Bier holen und den
ganzen Abend die Füße auf den Tisch hieven würde. Von den Klogängen mal
abgesehen.
    Und
jedes Mal, erklärte Liliane Ivonne, als sie wieder in ihrem Zimmer saßen, wenn
er wieder ins Wohnzimmer trat, würde er bemerken, ob sie saubergemacht hatte
oder ob scheisse, Frau, herrscht hier eine polnische Wirtschaft, oder was?
Soll ich auf diesen Batz meine Füße legen, oder was?
    Herr
Piskunov kam zurück, eine Rothändle-Schachtel in der einen, das Bier in der
anderen Hand. Er bemerkte den sauberen Glastisch und setzte sich kommentarlos
auf seinen Platz, reichte seiner Frau die Flasche und griff nach der
Fernsehzeitung.
    Liliane
und Ivonne wünschten artig Gute Nacht und Ivonne warf im Hinausgehen einen
letzten verstohlenen Blick auf die Piskunovs. Sie fragte sich, wie sehr Frau
Piskunov die nächste Gelegenheit herbeisehnte, ein weiteres Mal in die
Yucca-Palme zu greifen und ob sie dies morgen um diese Zeit sorglos und
ungefährdet ein ums andere Mal tun würde, die Flasche vielleicht sogar auf den
Tisch stellte? Oder würde sie Champagner trinken und den Gin und ihre Sorgen
vergessen, als zöge sie los, zu neuen Ufern, go West young Man?
    Herr Piskunov wackelte mit den
Zehen und Ivonne war versucht, zum Tisch zu stürzen, sie festzuhalten, ihn in
die Kissen zu drücken als läge er bereits auf einer ausziehbaren Bare im
Leichenschauhaus und bewegte sich unbotmäßig, und sie würde ein kleines
Schildchen an einem Bindfaden über den großen Zeh zu stülpen, zur Sicherheit,
zur amtlichen Bekräftigung der ewigen Ruhe, denn wenn er morgen nicht mehr
wackeln konnte, war es dann nicht besser, er hörte direkt damit auf?
    In
Lilianes Zimmer setzten sie sich nebeneinander auf das hummerrote Sofa und
sprachen vom Amazonas, wie es wäre, wenn sie beide eines Tages dorthin reisten,
jede einen Tropenhelm auf dem Kopf und eine Machete in der Hand und welche Abenteuer
könnten sie dort zusammen bestehen! Fast vergaß Ivonne, warum sie an diesem
Abend hierhergekommen war und entspannte sich etwas, während sie eine grüne
Mamba rettete, die sich von einem Baum wand, und die Liliane kurzerhand in
Stücke hacken wollte.
    Um
viertel vor neun unterbrach sich Liliane plötzlich mitten in ihrem Radebrechen
mit den Urwaldindianern, die sie umzingelt hatten und deren kleine Kinderhände
sich gefährlich um ihre Blasrohre spannten, und hob die Hand. Ihr Stiefvater
hatte nun genug Zeit gehabt, sein jetziges Bier zu dreiviertel zu leeren, nun
ging es los, Caramba Caracho
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