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Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek
Autoren: James A. Owen
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es eingeleitet hatte, auch das Ergebnis kontrollieren«, beendete Michael den Satz.
    »Allerdings. Die Geschichten der Welt können zusammenfließen wie Wasser und Öl – sie berühren sich, vermischen sich jedoch nie. Und doch sind sie für jeden sichtbar, der die richtige Zeit und den richtigen Ort kennt. Wenn es aber außerdem noch ein Blutopfer gibt, dann können beide eins werden…«
    »Es ist möglich, die Welt zu verändern.«
    Juda nickte. »Die ausschlaggebende Frage war: wann, und das konnte uns die Anabasis-Maschine verraten, wozu sie auch sonst gut sein mag. Wer genug wusste, um die Situation zu seinem Vorteil zu nutzen – was offenbar nur auf mich zutraf –, konnte das tun, was die alten Völker getan haben, die weiser waren als wir: unsere Götter auswählen.«
    »Sie? Sie wollten ein Gott sein?«
    »Nein«, antwortete Juda mit einem solchen Ausdruck der Offenheit, dass Michael überzeugt war, er sage die Wahrheit. »Ich will einfach nur derjenige sein, der die Fäden in der Hand hält.«
    »Sie kranker – kranker Mistkerl«, fauchte Michael. »Sie Irrer…«
    »Es hätte jeden von Ihnen treffen können, ehrlich«, sagte Juda. »Das spielte für mich wirklich keine Rolle.«
    »Warum dann… Galen?«
    »Weil es die Bestimmung eines Erlkönigs ist, zu herrschen, und das erfordert ein gewisses Maß an Ehrgeiz und Rücksichtslosigkeit – und ohne Sie beleidigen zu wollen, aber in dieser Kategorie haben Sie den Anforderungen einfach nicht genügt. Darum habe ich mir die Mühe gemacht, die Handschrift der Wagner-Zeit zu erlernen.«
    Michael hustete rau und spuckte Blut. »Dann war also nichts davon wahr? Nichts an dem Buch des Alberich warecht?«
    »Oh, doch, natürlich. Ich konnte das Wagner-Material fälschen, aber ich habe niemals die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass das Manuskript auch noch ein Palimpsest sein könnte. Einige Sekunden lang musste ich ernsthaft meine Alternativen abwägen: Wenn sich Alberichs Buch, so wie Sie es entdeckt hatten, als Fälschung erwies, dann lief ich Gefahr, Sie zu verlieren. Und ohne Sie wären die Anstrengungen, die Edda zu übersetzen, zwecklos gewesen. Wenn der Text andererseits zu stark von den Aufzeichnungen der Edda abwich, und damit beide als Vorlage für einen neuen Ring-Zyklus unbrauchbar werden ließ, hätte ich riskiert, auf Galens Beteiligung verzichten zu müssen.«
    »Aber Sie haben sich dennoch entschieden, weiterzumachen.«
    »Natürlich – aber erst nachdem ich das Buch untersucht und festgestellt hatte, dass es keine Gefahr darstellte, sondern genau die Art von Ersatz-Nibelungenlied war, die ich brauchte, um Galen im Griff zu behalten. Und als ich seine Authentizität festgestellt hatte, stand Ihr Interesse niemals in Frage.«
    »Es untersucht?«, fragte Michael verwirrt. »Aber wann… Ah, ich verstehe. Die Gage – Sie steckten hinter ihrem Angriff, richtig?«
    Juda nickte. »Als ich bemerkte, was Sie da entdeckt hatten, gab ich Bertram durch das Fenster ein Zeichen, sich bereit zu halten – mir war nicht klar gewesen, dass die anderen ihm alle folgen würden – und sie kamen auf Kommando, um das Buch zu holen. Es war nicht schwer, es aufzuspüren. Sie hatten es im Augustinerlesesaal in der Nationalbibliothek liegengelassen. Und nachdem ich das neue Material untersucht hatte, sorgte ich dafür, dass es ›zurückgegeben‹ wurde.«
    »Das war gut inszeniert.«
    »Danke. Es zeigt lediglich, dass man nicht alles im Voraus planen kann – manchmal muss man einfach mit dem Strom schwimmen.«
    »Wissen Sie«, sagte Michael, »das mit dem Zen-Kram machen Sie wirklich überzeugend – abgesehen von Mord und Fälschung und so.«
    Der zierliche Mann lächelte. »Nochmals vielen Dank. Es ist trotzdem komisch – all meine Pläne wären beinahe von den hartnäckigen Kritzeleien eines verbitterten, machthungrigen Zwergs aus der Bahn geworfen worden. Noch ungewöhnlicher ist, dass einiges von dem Material in den Wagner-Archiven einen Großteil des Textes von Alberichs Buch wiedergab, und das ohne eine entsprechende historische Grundlage. Es war alles intuitiv – ein wenig wie bei Melvin, ohne die Löcher. Wenn sein Leben einen anderen Verlauf genommen hätte, vielleicht wäre Wagner dann selbst in Meru gelandet.«
    Michaels Augen verengten sich. »Wagner muss also ein gewisses Verständnis von Kairos-Zeit gehabt haben, um etwas aufzuschreiben, das gleichermaßen wahr und unsichtbar war.«
    »Die endgültige Umsetzung des meruvischen Zen – die
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