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Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek
Autoren: James A. Owen
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daran so besonderes?«
    »Weil in den meisten Fällen eine Geschichte nach Meru gebracht wurde, nachdem sich eine Umkehrung ereignet hatte, nach der Herrschaft oder dem Tod eines Erlkönigs. Dies war das erste Mal, dass ein Erlkönig nach Meru kam, dessen Geschichte noch nicht geschrieben war.«
    Michael hustete. »Wie bei H?«
    »Nein – Hs Geschichte war ungeschrieben, aber er war kein Erlkönig. Seine Geschichte würde bezeugt, aber nicht beherrscht werden. Rs Schüler war dagegen ein bedeutender Erlkönig. Einer, von dessen Umkehrung man erwartete, dass sie den Endpunkt eines kosmischen Kalender-Umlaufs markierte, der länger andauern würde, als jeder andere zuvor. Man rechnete jedoch nicht damit, dass die Umkehrung des Schülers eine Kultur auslöschen würde, an deren Erschaffung einer der Ankoriten beteiligt gewesen war – und zwar R selbst. Entgegen aller Tradition, und den gewaltigen Mächten der Zeit zum Trotz, beschloss R, die Umkehrung zu verhindern oder sie zumindest zu manipulieren. Er verließ Meru, und der Schüler, der sich ›I‹ nannte, nahm seinen Platz als Lehrer ein. Mehrere Jahre hindurch unterrichtete I die Ankoriten und erfuhr nach und nach von seinem wahren Platz im Lauf der Geschichte. Eines Tages kehrte R zurück und brachte mehrere Dutzend Mönche aus einem semitischen Kloster am Toten Meer mit sich. Er wollte sich die Bibliothek aneignen und eine manipulierte Zeitlinie schaffen. Wenn er Is Herrschaft als Erlkönig verhindern konnte, um dann durch die Ungenauigkeit zukünftiger Umkehrungsbücher die Aufrechterhaltung des Status Quo sicherzustellen, könnte seine Kultur auf unbegrenzte Zeit bewahrt werden.«
    »Ich nehme an, es ist ihm nicht gelungen?«
    »Das steht außer Frage. R hatte die Mönche die Methoden der Meruvier gelehrt, und sie hatten eine Anzahl falscher Bücher geschaffen, die sie zum Berg brachten, um sie in die Bibliothek zu stellen. Die Ankoriten willigten dem Anschein nach ein und öffneten die Tore – doch als die Mönche eintraten, stürzten sie in einen leeren Raum, vermutlich ihrem Tod entgegen.«
    »Die Deutung der Ankoriten war stärker.«
    »Richtig. Die Bibliothek war wirklich, und R konnte diese Wirklichkeit nicht ersetzen, sondern versuchte lediglich, eine bestimmte Deutung zu erzwingen. Und was die Mönche angeht – das Verlangen nach einer Methode und ihre Beherrschung sind nicht immer gleichbedeutend mit Erleuchtung – in ihrem Fall nur all zu wörtlich.«
    »Wollten Sie das nicht auch mit Galen und mir machen?«
    »Nicht ganz«, sagte Juda. »Bei dieser Umkehrung ging es einfach nur darum, über so viele Informationen wie möglich zu verfügen, mehr als jeder andere, und dafür zu sorgen, dass ich die Informationen, die ich besaß, vollkommen unter Kontrolle hielt. R hat jedoch versucht, neue Informationen mit Gewalt Wirklichkeit werden zu lassen, und so funktioniert es einfach nicht.«
    »Was ist mit I passiert?«
    »Er hat Meru verlassen und sich wieder seiner Bestimmung zugewandt, genau wie R. R konnte nicht verstehen – oder wollte es nicht – dass I ein besseres Verständnis von seiner Bestimmung hatte als frühere Erlkönige, da er ein Eingeweihter Merus gewesen war. Und R konnte nichts tun, was die bevorstehende Umkehrung verändern würde. R machte einige Anstrengungen, doch er ging davon aus, dass I weit… aggressiver vorgehen würde. Und als er ihn ausfindig gemacht hatte, befanden sich bereits zu viele Elemente der Umkehrung am richtigen Platz und konnten nicht mehr verschoben werden. Hinterher versuchte R weiter, der Geschichte seine Deutung aufzuzwingen, doch letztendlich gelang es ihm nur, ein paar Kalender zu manipulieren und einige glücklose Mönche zu schwachen Nachahmungen Merus zu verleiten. Seine Kultur brach zusammen und die Zeit lief weiter.«
    »Wenn das wahr ist«, sagte Michael schwach, »warum finden sich dann nicht mehr Spuren, eindeutigere Überreste der Umkehrungen in traditionellen historischen Bibliotheken? Wenn die Welt während jeder Umkehrung von einem dieser so genannten ›Erlkönige‹ regiert wird, warum waren sie nicht leichter zu erkennen?«
    Ein ruhiger, gefährlicher Ausdruck leuchtete in Judas Augen auf, und er verzog den Mund, während er sich eine Antwort überlegte. »Auf der Welt ist alles Berührung und Deutung. Nichts – nichts – ist jemals verborgen. Wenn Sie also nach Kenntnis über etwas suchen, mit dem Sie keine Berührung hatten, brauchen Sie sich nur umzusehen und die richtige Deutung
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