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Die ewige Bibliothek

Die ewige Bibliothek

Titel: Die ewige Bibliothek
Autoren: James A. Owen
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wenige Jahre vor dem Dritten Kreuzzug. Die Historiker – insbesondere die britischen – konnten jedoch nur schwer glauben, was Fragmente anderer Schriftstücke am Fundort und mit ihnen in Beziehung stehende historische Quellen bezeugten: Das Schriftstück sei absichtlich auf Zypern zurückgelassen worden, und zwar von keinem Geringeren als Richard Löwenherz.
    Der Grundstein für die Empörung unter den Gelehrten wurde auf einem Symposium in Wien gelegt, das Michael kurz nach der Entdeckung und seinem anschließenden Kauf des Schriftstücks organisierte. Die Übersetzung enthüllte, dass es sich mit der Abstammung und biografischen Einzelheiten einer quasi-historischen Persönlichkeit befasste, die buchstäblich den Archetyp des englischen Königtums darstellte: Artus Pendragon – König Artus von Camelot. Es versteht sich von selbst, dass sein Inhalt wenig schmeichelhaft war. Der Autor des Schriftstücks blieb namenlos; die zu Tage geförderten Informationen erlaubten jedoch eine Datierung auf die Mitte des neunten Jahrhunderts, was zur Bezeichnung Aethelberht-Schriftstück führte. Diesem Autor zufolge versammelte Pendragon eine Reihe von Männern auf Camelot. Seine Gründe dafür waren jedoch wenig ritterlich und mehr als ein wenig unappetitlich. Das Schriftstück schilderte außerdem eine Beziehung ganz anderer Art zu einem Ritter, der historisch als Lancelot DuLac bekannt ist. Weiterhin war die Rede von einer Person, die als die oft romantisierte Guinevere interpretiert werden konnte. Angesichts jener Passage der Erzählung, in der berichtet wird, wie die Ritter sie grillten und verspeisten, spielte sie in der Auseinandersetzung eine eher untergeordnete Rolle.
    Die Tatsache, dass Richard bemüht war, das Schriftstück weit entfernt von Englands Küsten zu verbergen, sprach für die Authentizität des Textes. Löwenherz war selbst Historiker und hätte ein solches Werk nicht vernichtet. Er konnte es außerdem nicht in Reichweite irgendwelcher Gelehrten belassen. So ließ er das Schriftstück auf Zypern zurück, das er als Festung gegen die Moslems eingenommen hatte. Anschließend handelte er ein Durchfahrtsrecht nach Jerusalem aus, entlang eines schmalen Küstenstreifens, und entband damit jeden Engländer, ob Gelehrter oder nicht, von der Notwendigkeit, jemals nach Zypern zu fahren.
    Wäre es lediglich um die Verleumdung eines gefeierten kulturellen Mythos gegangen, hätten die britischen Gelehrten Michael möglicherweise verzeihen können, dass er sie ins Licht der Weltöffentlichkeit gerückt hatte. Es war jedoch die Tatsache, dass er sich korrekt verhalten und sie zuerst vertraulich zu Rate gezogen hatte, über die er nicht hinweg kam. Sie hatten das Schriftstück als Fälschung abgelehnt, ohne sich die Mühe zu machen, es einer chemischen Untersuchung zu unterziehen, den Ausgrabungsbericht zu prüfen oder gar eine vollständige Übersetzung vorzunehmen.
    Michael übergab es daraufhin einer Gruppe von Gelehrten in Dänemark, denen es gleichgültig sein konnte, in wessen Kissen König Artus es sich bequem gemacht hatte. Sie führten eine chemische Analyse durch, begutachteten drei unterschiedliche Ausgrabungsberichte, gaben eine vollständige Übersetzung in Auftrag – und erklärten das Schriftstück für echt.
    Die Briten waren außer sich, und die Franzosen nicht weniger. Die Türkei und Griechenland, die gemeinsam Zypern regierten, verlangten die Auslieferung der Person, die das Schriftstück von der Insel geschmuggelt hatte; bis sich herausstellte, dass ein niederer türkischer Regierungsbeamter die Ausfuhrpapiere tatsächlich abgezeichnet hatte, im Gegenzug für drei traute Minuten mit einer der Archäologieassistentinnen in einer Besenkammer.
    In Amerika veröffentlichten Turner Classic Movies die Filmfassung von Lerner und Lowes Camelot unter dem Titel Artus und Lance, und die Verkaufszahlen der Videokassette reichten an jene von Titanic oder Star Wars heran. Allerdings kam es auch zu einem kleinen Skandal, als die Produzenten dieser Filme die Verkaufszahlen anfochten und aufgedeckt wurde, dass neunzig Prozent der Kassetten im Auftrag des Britischen Parlaments und des Prinzen von Wales aufgekauft und vernichtet worden waren.
    Und in Wien gab es eine gewaltige Explosion – dem Verwaltungsleiter der Universität blies es die Schädeldecke weg, als die Quittungen über das ganze Debakel aus der Abteilung Altere Literatur und Geschichte bei ihm eintrafen. Insgesamt ergab die Bilanz einer achtmonatigen
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