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Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)

Titel: Die Essensvernichter: Warum die Hälfte aller Lebensmittel im Müll landet und wer dafür verantwortlich ist (German Edition)
Autoren: Stefan Kreutzberger , Valentin Thurn
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Kategorie Biomüll, doch darin sind auch Gartenabfälle enthalten, Grünschnitt vom gemähten Rasen ebenso wie Äste von Gartenpflanzen. Auch eine Umfrage an den deutschen Universitäten half nicht weiter – es hatte sich schlicht noch niemand mit der Frage beschäftigt, wie viel von unserem Essen wo vernichtet wird.
    Schließlich eine positive Antwort. Michael Gerling, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes des Deutschen Lebensmittelhandels, gibt uns Auskunft: »Das ist gar nicht so viel, die Supermärkte werfen insgesamt nur rund ein Prozent weg.« Ein Prozent wovon? »Ein Prozent vom Warenwert. Genau: 1,06 Prozent vom Nettoumsatz.« Aber wenn man den Wert nimmt und nicht das Gewicht, verzerren dann nicht teure Produkte wie Alkoholika die Optik?
    »Was die Statistik auch noch ein bisschen unscharf macht, ist die Tatsache, dass auch die Non-Food-Produkte enthalten sind«, gab Michael Gerling zu. Also Shampoo und Zahnpasta? Eigentlich interessant wäre doch ein Blick auf die Frischeprodukte, das Milchregal zum Beispiel. »Da liegt der Prozentsatz natürlich höher. Wenn wir den Bereich Gemüse betrachten, da werden rund fünf Prozent der Ware abgeschrieben.«
    Abschreiben, so nennen die Supermärkte den Vorgang, wenn Ware aussortiert wird. Wir begleiteten die Berliner Verkäuferin Klaudia Fischer an einem ganz gewöhnlichen Tag. Milchprodukte werden in ihrem Supermarkt immer zwei Tage vor Ablauf aussortiert. Die »ausgescannte« Ware wird automatisch nachbestellt. Am Wochenende kommt noch ein Sicherheitsaufschlag dazu, damit man für einen unvorhergesehenen Ansturm gewappnet ist. Und wenn der Ansturm geringer ausfällt? »Der Rest muss leider abgeschrieben werden. Es bleibt eigentlich immer etwas übrig, weil wir zur Sicherheit immer etwas mehr bestellen.«

    Wir werfen ebenso viele Lebensmittel weg wie wir essen. Laut Welternährungsorganisation der UNO landet weltweit ein Drittel aller Lebensmittel im Müll. Schätzungen für die Industrieländer gehen sogar von der Hälfte aus.
    In der Gemüseabteilung, dem eigentlichen Reich von Klaudia Fischer, gibt es sogenannte Tagesartikel: Lauch, Zwiebeln, Radieschen, Kopfsalat. Sie dürfen alle nur einen Tag lang verkauft werden, Klaudia Fischer sortiert sie also schon nach einem Verkaufstag wieder aus. Manchmal sogar noch schneller: Ich sehe, wie sie einen plastikverpackten Salatkopf aus dem Regal holt. Der sieht doch noch gut aus? »Nein, schauen Sie, das Blatt hier unten fängt an faul zu werden, das kauft kein Kunde. Aber eigentlich ist es noch gut.« Man könnte einfach das äußere Salatblatt entfernen? »Genau – aber heutzutage muss alles einfach nur perfekt aussehen«, seufzt die Verkäuferin. »Es darf nicht eine schlechte Stelle dran sein, auch bei Erdbeeren – wenn nur eine schlechte Stelle dran ist, muss die Ware weg.«
    »Bei Bioware ist das keinen Deut anders, die Leute wollen Bio, aber sie kaufen auch das Biogemüse nicht, wenn eine schlechte Stelle dran ist«, resümiert Klaudia Fischer. Dann holt sie Pfifferlinge (»die werden gerade bei dem Wetter sehr schnell nass«) und ein Netz Limetten aus dem Regal (»es ist zwar nur eine in dem Netz braun, aber ich muss es ganz rausholen«). Schließlich entsorgt sie zwei Kohlrabi-Köpfe: »Eigentlich ist er ja noch gut, aber wenn die Blätter nicht mehr dran sind, kauft ihn keiner mehr«, erzählt sie kopfschüttelnd. »Ist das Grüne noch dran, dann machen die Kunden es weg.«
    Wer ist an dieser Fehlentwicklung schuld? Sind wir Verbraucher so anspruchsvoll, dass wir nur noch top aussehende Ware kaufen? Oder haben uns die Supermärkte mit ihrem immer besseren Angebot verführt und verzogen? Ich komme immer mehr zum Schluss, dass es nicht einen Schuldigen gibt, es ist ein System, und ich als Verbraucher stecke mittendrin mit meinen Gewohnheiten und Vorlieben.
    Michael Gerling hat auch ein eigenes Institut, das EHI Retail Institute in Köln, in dem er Marktforschung betreibt. »Wenn wir historisch zurückblicken in die 1960er-Jahre, da mussten wir hungrige Menschen satt machen. Heute leben wir im Überfluss und wir müssen satte Menschen hungrig machen«, bringt er die Entwicklung auf den Punkt.
    Wie gelingt das den Unternehmen? Ich suche einen Psychologen und finde schließlich Stephan Grünewald, Gründer des Marktforschungsinstituts rheingold. Er berät Hersteller vor der Einführung eines neuen Produktes. Erstes Ziel: In unserem saturierten Markt überhaupt noch wahrgenommen zu werden, indem man ein
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