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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten
Autoren: Scott Westerfeld
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Daylightwelt durch sie hindurch in die Midnight fließen und alles verändern würde.
    „Sicher“, murmelte sie. Aber nicht nur sicher. Was aus ihr geworden war, fühlte sich größer an. Und beängstigender.
    „Weißt du, Jessica, es geht vielleicht nicht nur um Taschenlampen“, sagte Dess. „Ich frage mich, wo deine Grenzen sind. Vielleicht kannst du in der blauen Zeit sogar einen Fotoapparat benutzen.“
    Jessica zuckte mit den Schultern und sah Rex an.
    „Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden“, sagte er. „Ausprobieren. Soweit ich weiß, geht es beim Film um einen chemischen Prozess, auch irgendwie Feuer, würde ich sagen.“
    „He, ein Blitzlicht wäre doch schon der Hammer.“
    „Oder Funksprechgeräte!“
    „Wie wär’s mit einem Automotor?“
    „Kann nicht sein.“
    Die Gruppe verfiel in Schweigen. Rex schüttelte verwirrt den Kopf, dann sah er zum untergehenden Mond auf.
    „Es ist spät“, sagte er. „Wir können das morgen Nacht rauskriegen.“
    Jonathan nickte. „Ich mache mich besser auf den Weg. St. Claire hat derzeit seine Jungs auf mich angesetzt. Soll ich dich nach Hause bringen?“
    Jessica seufzte. Sie wäre gern geflogen, um die furchtbaren Dinge, die sie heute Nacht gesehen hatte, am Boden hinter sich zu lassen. Trotzdem schüttelte sie den Kopf.
    „Ich muss zur Party zurück. Constanza flippt aus, wenn ich mich einfach so in Luft auflöse.“
    „Okay. Sehen wir uns morgen?“
    „Unbedingt.“
    Jonathan beugte sich vor, um sie zu küssen, und die Schwerkraft verließ ihren Körper, als sie seine Lippen berührte. Als er sich von ihr löste, fanden ihre Füße am Boden wieder Halt, aber in ihrem Bauch tanzte es weiter.
    „Bis morgen“, sagte sie, als sich Jonathan umdrehte und sprang. Er wirbelte aus der Schlangengrube, der nächste Sprung trug ihn hoch in die Luft, dann verschwand er in der Ferne und Dunkelheit.
    „Wir machen uns besser auch auf den Weg“, sagte Rex.
    „Logo“, antwortete Jessica. „Mir geht’s gut.“
    „Du siehst besser als gut aus“, amüsierte sich Dess. „Wisch dir das Strahlen aus dem Gesicht, Jessica Day.“
    Jessica spürte, wie sie rot wurde, und zog ihre Jacke fester um sich.
    „Weißt du, wie du zur Party zurückkommst?“, fragte Melissa gelassen.
    „Ja.“ Sie deutete mit dem Finger. „Mond geht im Westen unter, also da lang.“
    „Nicht schlecht, Jessica“, sagte Dess. „Allmählich kriegst du das mit der Midnight drauf.“
    „Danke.“
    „Wir sollten ein bisschen Ordnung machen, Leute“, sagte Rex. „Wir haben mehr Chaos als üblich hinterlassen.“ Dess und Melissa stimmten widerwillig zu.
    „Ich sollte zur Party zurückkehren“, sagte Jessica. Sie hielt die Taschenlampe fest in der Hand. „Mir wird vermutlich nichts passieren.“
    Rex nickte. „Danke, dass du gekommen bist, Jessica. Dass du uns vertraut hast.“
    „Danke, dass ihr mir gesagt habt, was ich bin“, antwortete sie. Dann runzelte sie die Stirn. „Egal, wofür es am Ende gut ist, aber wenigstens bin ich kein völlig unbrauchbarer Midnighter, verstehst du?“
    „Davon bin ich nie ausgegangen.“
     
    Es dauerte nicht lange, bis sie beim Lagerfeuer ankam. Wenn man den direkten Weg ging, brauchte man nur fünf Minuten, genau wie Dess gesagt hatte.
    Jessica hatte noch nie ein erstarrtes Feuer gesehen. Es sah ziemlich harmlos aus. Die bläulichen Flammen gaben kein Licht und waren kaum zu sehen, wirkten wie verzerrte Luft, wie Hitzewellen in der Wüste.
    Sie wollte sich die erstarrten Leute nicht ansehen, vor allem ihre Gesichter nicht, die ihr hässlich und tot vorkamen, wie auf einem schlechten Foto. Deshalb sah sie intensiv in das Feuer und streckte zögernd einen Finger in die Flammen.
    Die Hitze war noch da, aber weich und gedämpft wie ein Geräusch aus dem Nebenzimmer. Von ihrer Berührung blieb ein glühendes Zeichen in der Luft hängen, wie eine rote Flamme, die sich den Weg in die blaue Zeit hineinbahnen wollte. Sie zog ihren Finger zurück. Die erstarrte Flamme war jetzt rot, wo sie sie berührt hatte. Der einzelne Lichtfunken stach aus dem blauen Schleier heraus, der über der Wüstennacht lag.
    Als der Mond unterging, schlüpfte Jessica in den Schatten zurück.
    Die blaue Zeit endete.
    Die Kälte überfiel sie plötzlich, und sie zitterte in ihrer leichten Jacke.
    Die Feuerstelle setzte sich schlagartig in Bewegung – Gespräche, Gelächter und Musik platzten los, als ob sie eine Tür zu einer Party geöffnet hätte. Sie fühlte sich
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