Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erfuellung

Die Erfuellung

Titel: Die Erfuellung
Autoren: Catherine Cookson
Vom Netzwerk:
sollte.
    »Hast du Onkel Shane gefunden?«
    Als sie hustete, fuhr er blitzartig herum. Mit offenem Mund rappelte er sich hoch und starrte sie an, als wäre sie eine Erscheinung. Schließlich fuhr er sich mit der Hand über die Augen und das Gesicht.
    »Tut mir Leid …«, nuschelte er zwischen den Fingern hindurch. »Ich hatte Sie völlig vergessen … wegen Sarah hier.« Er deutete mit dem Kopf auf die Kuh.
    »Das macht nichts.« Erleichtert ging sie auf ihn zu. Das also war Mr Batley. Er entsprach so gar nicht dem Bild, das sie sich von ihm gemacht hatte und das seit ihrer Begegnung mit den Cadwells recht unheimliche Züge angenommen hatte. Zum einen war er nicht so alt, wie sie erwartet hatte, vermutlich noch keine fünfunddreißig. Er war groß, bestimmt einen Meter fünfundachtzig, und breit gebaut, aber ohne ein Gramm Fett am Leib. Als sie in sein Gesicht blickte, fiel ihr auf, wie ausgemergelt er wirkte. Er sah aus, als hätte er eine schwere Krankheit hinter sich. Sein Haar war dunkel, doch nicht so schwarz wie das der Cadwells. Auffällig an ihm waren die Augen, die sie nun erneut durchdringend anstarrten. Sie waren von einem klaren Grau und ohne jede Wärme. Schwer vorstellbar, dass sie dem Mann gehörten, der so liebevoll auf die Kuh eingeredet hatte. Sein Blick erinnerte sie an Mr Cadwell. Panik stieg in ihr auf, als sie sich an dessen Worte erinnerte. Will ein Arbeitspferd und bekommt ein Vollblutfüllen.
    Nur gut, dass sie auf der Farm in Crowborough ein wenig über Rinder gelernt hatte. Hoffentlich konnte sie so den ersten Eindruck korrigieren. »Sie halten Galloway-Rinder?«, erkundigte sie sich.
    »Ja.« Er sah sie immer noch an.
    »Ist es ihr erstes Kalb?«
    »Ja.« Bei dieser Frage wandte er sich erneut dem Tier zu. Schon wollte er niederknien, als er wieder herumfuhr. »Wie sind Sie denn hergekommen? Waren Sie nicht am Haus?« Es klang, als würde er laut denken.
    »Nein, ich bin von der Straße her über das Feld gegangen.«
    »Wer hat Sie hergefahren? Mr Weir?«
    »Nein.« Als sie ihm in die Augen sah, hatte sie das Gefühl, dass sie den Namen Cadwell besser nicht erwähnte, aber sie wusste nicht, wie sie ihre Ankunft sonst erklären sollte. Schließlich griff sie zu einer Ausflucht. »Ich hatte mich verlaufen und bin am falschen Haus gelandet. Die Leute haben mich hergebracht.«
    Es folgte ein Schweigen, das sie sehr an die Stille erinnerte, die bei den Cadwells auf die Erwähnung des Namens »Batley« gefolgt war. Er hatte sich nun ganz aufgerichtet und stand stocksteif vor ihr.
    »Wie hießen die Leute, die sie hergefahren haben?«
    Sie schluckte einmal, bevor sie sich zu einer Antwort durchrang. »Cadwell, glaube ich.«
    War es Hass, was sie in seinem Gesicht las? Schmerz, Wut oder alles auf einmal? Die Verwandlung, die mit ihm vorging, war so beängstigend, dass sie sich energisch ins Gedächtnis rufen musste, dass sie nichts zu befürchten hatte.
    In diesem Augenblick brüllte die Kuh auf und warf sich unruhig auf dem Stroh hin und her. Lindas Herz raste, als sie beobachtete, wie Batley die Augen schloss, mühsam schluckte und sich schließlich abwandte, um sich erneut neben das Rind zu knien. Offenbar ging ihre Fantasie mit ihr durch.
    Hilflos sah sie zu, wie seine Hände über das Tier wanderten. Mehr aus Nervosität als aus echter Hilfsbereitschaft – schließlich hatte sie noch nie eine Kuh kalben sehen – fragte sie: »Kann ich … kann ich etwas tun?«
    Es dauerte so lange, bis er antwortete, dass sie schon dachte, er hätte sie nicht gehört oder wollte nicht antworten. »Sie werden … sich … schmutzig machen«, stieß er schließlich zwischen den Zähnen hervor.
    »Das ist mir egal.« Ihre Erleichterung war ihr deutlich anzuhören. Schon hatte sie Mütze und Mantel abgelegt und beides an einen Nagel an der Wand gehängt. Seine Augen wanderten in ihre Richtung, als sie auf das Stroh trat, blieben aber am Rock ihres weichen blauen Wollkleids hängen.
    »Da drüben hängt eine Schürze«, stieß er widerwillig hervor, wobei er mit der Hand hinter sich in eine Ecke des Stalles deutete.
    Folgsam nahm sie ein großes Stück sauberes Sackleinen von einem Nagel und band es sich um die Taille, bevor sie erneut die Box betrat.
    »Nehmen Sie ihren Kopf. Reden Sie leise, aber ohne Pause mit ihr. Sie heißt Sarah, und es geht ihr nicht gut.«
    Als sie seine abgehackte Stimme hörte, wurde ihr klar, wie aufgewühlt er sein musste. Er stand auf und ging zu einem dampfenden Eimer, der vor der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher