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Die Erfuellung

Die Erfuellung

Titel: Die Erfuellung
Autoren: Catherine Cookson
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genutzt. Sie fühlte sich an Mrs Weirs Stube erinnert, die aber viel kleiner und daher gemütlicher gewesen war. Ein langer, schwarzer Refektoriumstisch aus Eiche stand längs im Raum. Mit dem Rücken dazu wartete eine mittelgroße Frau mit grauem Haar auf sie, auf deren Wangen rote Flecken brannten. Ihre braunen Augen waren rund und aufgeweckt und beobachteten sie aufmerksam. Linda blieb stehen.
    Von den Cadwells hatte sie jeder auf seine eigene Weise angesehen. Ralph Batleys abschätzender Blick hatte unangenehme Überraschung verraten. Der alte Shane hatte sie sehr erfreut begrüßt, dem Jungen war sie wohl ein Rätsel. Aber diese Frau war anders. Linda spürte, wie sie von Kopf bis Fuß gemustert wurde. Offenbar fiel es Maggie schwer, sich ein Urteil über sie zu bilden. Der kleine Michael schien sie bereits ein wenig vorbereitet zu haben, denn er stand neben ihr und kaute auf seinem Daumennagel herum. Dabei warf er von Zeit zu Zeit Linda einen Blick zu, ohne den Kopf zu heben.
    »Da ist sie, Maggie«, verkündete Shane lautstark. »Hat sich in der Dunkelheit hierher durchgeschlagen.«
    Die Frau kam nun auf Linda zu, ohne sie aus den Augen zu lassen.
    »Tut mir Leid, dass Sie selbst herfinden mussten. Als Sie um zwei Uhr nicht dabei waren, dachte mein Sohn … Nun, die Kuh hätte er ohnehin nicht allein lassen können.« Ihre angenehme Stimme war voll und gleichzeitig weich. Bevor Linda ihr versichern konnte, dass das kein Problem sei, hatte sie sich bereits an den alten Mann gewandt. »Das ist deine Schuld. Wo warst du denn bloß? Du hättest sie abholen können.«
    »Immer mit der Ruhe, Maggie. An der oberen Weide war der Zaun umgestürzt. Wenn ich den nicht repariert hätte, wären die Schafe weggelaufen.«
    »Oh.« Mit einer ungeduldigen Kopfbewegung wandte sie sich an Linda. »Kommen Sie herein, Sie sind bestimmt ganz durchgefroren. Geben Sie mir Ihren Mantel.«
    Während Linda ihren Mantel auszog, trippelte Shane, der sie an einen alten Gnom erinnerte, zum Kamin. »Sie hat sich schon nützlich gemacht, Maggie, und beim Kalben geholfen«, erklärte er mit offenkundiger Begeisterung. »Ein schönes Kälbchen, obwohl der Kopf zuerst nach hinten gedreht war.«
    »Sie haben beim Kalben geholfen?« Die Frau, die Lindas Mantel immer noch in der Hand hielt, blickte sie so ungläubig an, dass Linda ganz heiß wurde.
    »Offenbar bin ich von der Rückseite auf den Hof gekommen«, erklärte sie zögernd. »Ich hatte das Licht im Stall gesehen.«
    »Sie sind von hinten gekommen? Von der Hauptstraße?«
    »Ja.«
    »Oh.« Ein Lächeln milderte ihre strengen Züge, als sie Linda zunickte. »Dann hat Mr Weir Sie gebracht.«
    »Nein.«
    »Nein, Weir hat sie nicht gefahren.« Alle Augen richteten sich auf Ralph Batley, der den Raum eben durch eine Tür unter der Galerie betreten hatte. »Sie hat die falsche Abzweigung genommen«, sagte er in die Runde. Der Blick seiner grauen Augen war kalt. »Nicht wahr, Miss Metcalfe?«
    »Ja, das stimmt.«
    Selbst für ihre eigenen Ohren klang es, als müsste sie sich dafür verteidigen, dass sie sich verlaufen hatte. Er griff nach einer Pfeife, die auf einem Holzgestell auf dem Kaminsims lag, und klopfte sie auf seiner Handfläche aus. »Sie ist an der Steilküste nach rechts abgebogen«, sagte er bedeutungsschwer zu seiner Mutter, ohne den Blick von der Pfeife zu wenden.
    Mrs Batley starrte ihren Sohn aus weit aufgerissenen, verängstigten Augen an.
    Ralph Batley wandte sich ab, hob den Fuß und trat mitten in die glühenden Scheite. Funken sprühten hoch und regneten auf den funkelnden Kupferkessel und den großen, rauchgeschwärzten Topf vor dem Herd. Dann zog er einen Span aus dem Bündel, das ein Gestell an der Backsteinwand füllte, und hielt ihn in die Glut. »Unsere Nachbarn waren so freundlich, sie am oberen Tor abzusetzen.«
    Von ohnmächtiger Hilflosigkeit erfüllt, beobachtete Linda, wie sich der gequälte Blick der älteren Frau auf sie richtete. »Was habe ich denn getan?«, hätte sie am liebsten aufgeschrien, wurde aber von Ralph Batley abgelenkt. Wie verstört er war, merkte sie daran, dass er versuchte, eine leere Pfeife anzuzünden. Als ihm das klar wurde, warf er den Span ins Feuer und schob die Pfeife in seine Tasche. Offenbar um sein Missgeschick zu überspielen, wechselte er zu einem leichteren Tonfall, der ihm aber gründlich misslang. »Ich hatte vergessen, dass Sie meine Mutter noch nicht kennen.«
    Obwohl es ein wenig spät war für eine förmliche Vorstellung,
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