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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde
Autoren: Emile Zola
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siebenundzwanzig Jahre alt; und an dem Tag, da das, was von dem Gut übriggeblieben war, zum Nationalbesitz17 erklärt und parzellenweise versteigert wurde, brannte er darauf, einige Hektar davon zu erwerben. Heruntergekommen, verschuldet, überließen die RognesBouquevals schon seit langem, seit sie den letzten Turm des Schlosses hatten einstürzen lassen, ihren Gläubigern das Pachtgeld von La Borderie, von dessen Anbauflächen drei Viertel brach blieben. Es war da vor allem neben einer seiner Parzellen ein großes Stück, nach dem der Bauer mit dem rasenden Verlangen seines Geschlechts gierte. Aber die Ernten waren schlecht, er besaß kaum hundert Taler Ersparnisse in einem alten Topf hinter seinem Ofen; und andererseits hatte ihn, wenn ihm einen Augenblick der Gedanke gekommen war, bei einem Geldverleiher in Cloyes ein Darlehen aufzunehmen, eine ängstliche Vorsicht davon abgehalten: diese Besitztümer der Adligen machten ihm Angst; wer wußte, ob man sie ihm nicht später wieder wegnehmen würde? So daß er, zwischen Verlangen und Mißtrauen schwankend, zu seinem Herzeleid sehen mußte, wie bei den Versteigerungen La Borderie zu einem Fünftel seines Werts Stück um Stück von einem Bürger aus Châteaudun, Isidore Hourdequin, einem ehemaligen Angestellten vom Salzhof, gekauft wurde.
    JosephCasimir Fouan hatte, als er alt geworden war, seine einundzwanzig Arpents – sieben für jedes Kind – zwischen seiner Ältesten, Marianne, und seinen beiden Söhnen, Louis und Michel, aufgeteilt; eine jüngere Tochter, Laure, die schneidern gelernt hatte und in Châteaudun untergekommen war, wurde mit Geld abgefunden. Aber die Heiraten zerbrachen diese Gleichheit. Während Marianne Fouan, die Große genannt, einen Nachbarn ehelichte, Antoine Péchard, der ungefähr achtzehn Arpents hatte, lud sich Michel Fouan, Fliege genannt, eine Liebste auf den Hals, der ihr Vater nur zwei Arpents Wein hinterlassen sollte. Louis Fouan, der mit Rose Maliverne, Erbin von zwölf Arpents, verheiratet war, hatte auf diese Weise seinerseits die neun und einen halben Hektar zusammengebracht, die er sich nun anschickte, zwischen seine drei Kinder aufzuteilen, da die Reihe an ihn kam.
    In der Familie war die Große gefürchtet und geachtet, nicht wegen ihres Alters, sondern wegen ihres Vermögens. Sie war noch sehr gerade, sehr groß, hager und hart, hatte starke Knochen und den fleischlosen Kopf eines Raubvogels auf einem langen, welken, blutfarbenen Hals. Bei ihr war die Nase der Familie wie ein schrecklicher Schnabel gebogen; sie hatte runde und starre Augen, kein Haar mehr unter dem gelben Foulardkopftuch, das sie trug, und im Gegensatz dazu alle ihre Zähne, Kinnladen, als müsse sie von Kieselsteinen leben. Sie schritt mit erhobenem Stock, sie ging niemals aus ohne ihren Schlehdornspazierstock, dessen sie sich einzig und allein bediente, um auf Tiere und Menschen einzuschlagen. Sie war zeitig Witwe geworden und allein mit einer Tochter zurückgeblieben, die sie davongejagt hatte, weil sich die Schlampe darauf versteift hatte, gegen ihren Willen einen armen Burschen, Vincent Bouteroue, zu heiraten; und selbst jetzt, da diese Tochter und ihr Mann im Elend gestorben waren und ihr eine Enkeltochter und einen Enkelsohn hinterlassen hatten, Palmyre und Hilarion, sie bereits zweiunddreißig und er vierundzwanzig Jahre alt, hatte sie nicht verziehen; sie ließ die beiden schier vor Hunger verrecken und wollte nicht, daß man sie an ihr Vorhandensein gemahnte. Seit dem Tode ihres Mannes leitete sie persönlich die Bestellung ihrer Äcker, hatte drei Kühe, ein Schwein und einen Knecht, die sie aus dem gemeinsamen Trog nährte; vor Schrecken geradezu auf dem Bauch liegend, gehorchten ihr alle.
    Als Fouan sie an ihrer Tür sah, war er aus Rücksicht näher getreten. Sie war zehn Jahre älter als er, wie das ganze Dorf hegte er für ihre Härte, ihren Geiz, ihr Versessensein aufs Besitzen und aufs Leben Ehrerbietung und Bewunderung.
    »Du, Große, ich wollte dir gerade die Sache mitteilen«, sagte er. »Ich habe mich entschlossen, ich gehe dort rauf wegen der Teilung.«
    Sie antwortete nicht, packte ihren Stock fester und schwenkte ihn.
    »Neulich abend habe ich dich noch um Rat fragen wollen; aber ich habe angeklopft und niemand hat geantwortet.«
    Da platzte sie los mit ihrer schrillen Stimme:
    »Dummkopf! Ich hätte dir schon einen Rat gegeben! Man muß dumm und feige sein, um auf seinen Besitz zu verzichten, solange man auf seinen Beinen stehen
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