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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bruder Perikles mit seinem Flugzeug ab –«
    »Werft ihn hinaus!« schrie Lyda und preßte beide Hände vor die Ohren. »Werft ihn doch endlich hinaus! Er zieht Perikles in den Dreck!«
    Unbeweglich saßen Andromeda und Tyron auf ihren Polstern. Bulder sprach unbeirrt weiter.
    »Im Oktober begeht Ihre Mutter Genia, inzwischen mit dem Konkurrenten Ihres Vaters, Pavlos Heraklion, verheiratet, einen geheimnisvollen Selbstmord. Sollte da nicht eine Verbindung bestehen zwischen den Ereignissen in Ihrer Familie und den Belobigungen von Boris Lobow? Durch diskrete Hinweise wurden wir im April 1975 auf das Interesse der Sowjets an der Familie Penopoulos aufmerksam gemacht. Am 19. April wurde Ihr Vater auf seiner Insel Sapharin begraben. Was bei der Auswertung der dabei gemachten Fotos herauskam, war sensationell und alarmierend.« Bulder entnahm der neben ihm auf dem Boden stehenden Aktentasche einen Stapel großer Fotografien. Sie zeigten die Beerdigung von Stavros Penopoulos.
    »Ich werde verrückt!« sagte Lyda mit zitternder Stimme. »Ich kann nicht mehr! Warum hilft mir denn keiner? Wollt ihr mich alle umbringen? Ich kann nicht mehr …«
    Sie sprang auf, preßte die Hände gegen ihre Ohren und rannte hinaus auf die Terrasse. Dort warf sie sich in eine Hollywoodschaukel, preßte ein Kissen über ihr Gesicht und ließ sich hin und her pendeln.
    Bulder blickte hinüber zu Andromeda Lakadonis. Sie starrte ihn mit ihrem spitzen Greisinnengesicht erschrocken an. Was Bulder da erwähnte – offenbar gewisse Vorgänge bei der Beerdigung von Stavros –, war auch ihr neu. Tyron Spiriades suchte verstört nach einer Zigarette in seinem Anzug. Schon wieder donnerte ein Düsenriese über sie hinweg zur Landung auf dem Flughafen Hellinikon.
    »Was zaubern Sie da noch aus Ihrer Tasche?« fragte Tyron rauh.
    »Das Begräbnis fand im engsten Kreise statt. Nur Familie und die besten Freunde. Trotzdem war ein Fremder dabei …«
    »Unmöglich!« rief Andromeda.
    »Die Fotos beweisen es.« Bulder gab der Tante und Tyron je ein Foto. »Wer ist der Mann in der zweiten Reihe hinter Nanette Penopoulos?«
    Tyron Spiriades betrachtete das Foto lange. Er dachte nach. April 1975, das war über drei Jahre her. Dann sagte er zögernd: »Ein Bekannter von Nany. Aus ihrer New Yorker Zeit. Er hieß, glaube ich, Spencer Thomson. Ein Amerikaner!«
    Bulder nickte bedeutsam. »Ein Russe. Er heißt Pal Diogenowitsch Okoschkin. Seit 1959 ist er immer dort, wo sich die Familie Penopoulos aufhält.«
    Mit der Jacht ›Genia‹ war Stavros von Piräus nach Sapharin gebracht worden. Ein Sonderflugzeug seiner eigenen Fluglinie hatte den Sarg von Paris nach Griechenland gebracht, um den letzten Wunsch des großen Mannes, des armen, einsamen Reichen, zu erfüllen: ein Grab neben seinem Sohn Perikles auf seiner Insel Sapharin.
    Die ganze Welt nahm Anteil, nicht allein weil er Stavros Penopoulos hieß und als einer der reichsten Männer dieser Welt galt. Auch nicht weil er die schöne, gefährliche Witwe Nany Johnes geheiratet und einmal die größte Primadonna des Jahrhunderts, Irena Palvietti, geliebt und dabei beinahe das Glück seiner Kinder und sein riesiges Reederimperium aufs Spiel gesetzt hatte – auch nicht, weil es gerade in der letzten Zeit wie ein Fluch über dieser Familie gelegen hatte und der lebensfrohe Stavros von Jahr zu Jahr mehr in sich zusammengeschrumpft war, woran nicht nur seine unheilbare Muskelkrankheit, die man ›Myasthenis‹ nennt, schuld sein mochte, sondern auch die Erkenntnis, daß Milliarden eine Last sein können. Das alles erregte die Umwelt weniger als die Frage: Wer übernimmt das Imperium des Penopoulos? Die Witwe Nany oder die Tochter Lyda? Noch kannte keiner das Testament außer dem Notar der Familie und den Hinterbliebenen, und von dort sickerte nur Spärliches durch. Von einer läppischen Abfindung der Witwe war die Rede, von einer Stiftung zum Andenken an den toten Sohn Perikles, von einem Konsortium von Direktoren, die das Weltreich des Penopoulos leiten sollten, von einer Vollmacht für seine Tochter Lyda, die die Oberaufsicht behalten sollte, wenn sie sich dazu als fähig erwies. Und man flüsterte von einem unerbittlichen Machtkampf zwischen Witwe und Tochter und von der Forderung Nanys, als letzte Ehefrau auch das Oberhaupt der Familie zu sein.
    Der Trauerzug von der Villa auf Sapharin zum Mausoleum im Park war kurz. Lyda hatte sich bis zuletzt in ihren Zimmern eingeschlossen und duldete nur den Besuch ihrer
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