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Die Erbin

Die Erbin

Titel: Die Erbin
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Lieblingstante Andromeda Lakadonis, der jüngeren Schwester von Stavros. In einfachem Schwarz, wie eine Bäuerin wirkend, saß sie am Fenster und blickte in die Weite. Über das Meer, das ihre zweite Heimat gewesen war und das sie oft gehaßt hatte, das sie verfluchte und doch liebte, denn es hatte ihre Familie zersprengt und doch ihrer Familie Milliarden eingebracht.
    Sie drehte sich nicht um, als Andromeda hinter ihr stand und mit leiser, versagender Stimme sagte: »Papa wartet auf dich.«
    »Wo ist sie?« fragte Lyda hart. Die Trauer, die Andromedas Herz so tief bewegte, hatte in ihr alle anderen Gefühle abgetötet. Wie in einem griechischen Drama die Heldinnen – ob Elektra oder Medea, Klytämnestra oder Penthesilea – vor dem Schicksal zunächst versteinern, ehe vulkanisch die Leidenschaft hervorbricht, so war auch Lyda wie erstarrt.
    »Sie sitzt an seinem Sarg«, sagte Andromeda zögernd.
    »Sie soll weggehen!«
    »Lyda, sie war seine Frau!«
    »Und sein Unglück! Sein größtes Unglück!«
    »Er hat sie einmal sehr geliebt.«
    »Und sie hat sich dafür reich bezahlen lassen! Sie hat Papa nie geliebt! Nur sein Geld! Nur die Sensation, seine Frau zu sein …«
    »Man kann es auch anders sehen, Lyda. Papa sonnte sich in dem Glanz, sie vor allen anderen Männern erobert zu haben. Die große, schöne, berühmte Nany Johnes. Du weißt: Papa sammelte berühmte Frauen wie andere Porzellan oder Briefmarken.«
    »Tritt ihn nur in den Dreck, jetzt, wo er tot ist!«
    »Du hast am meisten darunter gelitten.«
    »Ich habe unter ihr gelitten!«
    »Und wie war es bei Irena Palvietti?«
    »Vorbei!«
    »Du hast ihre Schallplatten zerbrochen, wo immer du sie gefunden hast. Wenn ihre Stimme aus dem Radio kam, hast du den Apparat zertrümmert! Du bist durch die ›Genia‹ gelaufen und hast alle Bilder von ihr ins Meer geworfen. Du hast dich geweigert, ihr die Hand zu geben. Du hättest sie töten können!«
    »Sie hat mir Papa weggenommen! Alle haben sie mir Papa weggenommen. Wegen all dieser Frauen blieb ich allein! Aber die Schlimmste ist Nany. Irena – die liebte Papa, weil sie sich selbst nach Liebe sehnte, weil sie auf ihrer Opernbühne genauso einsam war wie Papa mit seinen Millionen. Sie hat sich heruntergehungert von 215 auf 140 Pfund und hat dadurch ihre Stimme verloren. Sie hat alles nur für Papa getan. Aber dann kam sie! Noch schlanker, noch anschmiegsamer, noch raffinierter, noch geiler – und geldgierig bis auf die Knochen! Aber Papa sah das nicht. Für ihn war es ein Triumph! Und bei ihr nichts als kalte Berechnung. Sie hat alle zerstört! Irena, die nie wieder singen kann, Papa, der nie begriff, wie eine Frau für 120.000 Dollar Kleider kaufen kann, mich, die ich nur noch lachen konnte, wenn mich jemand betäubte, mit Alkohol, mit Küssen, mit seinen Händen, seinem Körper! – Warum ist sie noch hier?«
    »Sie wird ihren Mann begraben wollen.« Andromeda Lakadonis trat neben Lyda an das Fenster. Vor ihnen lag der rückwärtige Teil des Parks. Der Weg, den der Sarg nehmen würde, war nicht zu sehen. Aber zwischen dem Grün der hohen Bäume schimmerte es weiß. Das Mausoleum. »Das ist ihr Recht und ihre Pflicht«, sagte Andromeda. »Was soll die Welt denken?«
    »Sie hat sich nie darum gekümmert, was die Welt denkt. Sie hat immer nur getan, was ihr nutzte.«
    Im Glockenturm der neben der Villa gelegenen Privatkapelle begann die Glocke zu läuten. Der Metropolit von Athen und vier Bischöfe beteten für die Seele des Stavros Penopoulos.
    »Wir müssen gehen«, sagte die Tante.
    Lyda nickte, schlug den schwarzen Schleier über ihr Gesicht, als sei sie die Witwe, und ging langsam zur Tür. Ihr Schritt war nicht demütig. So geht ein Kämpfer auf dem Weg in die Arena.
    In der Kapelle kniete die Witwe Nany vor dem mit Blumen überreich geschmückten Sarg. Er war geschlossen worden, nachdem ein griechischer Beamter festgestellt hatte, daß Stavros Penopoulos wirklich tot war. Von irgendwoher aus dem Kapellendunkel hörte man Schluchzen. Die Angestellten des großen Stavros weinten. Sie waren die einzigen, die jetzt noch Tränen hatten. Die Witwe hatte sich zurückgezogen in eine schöne, blasse Versteinerung. »Nie sah sie so schön aus wie jetzt!« telefonierte ein Reporter an seine Redaktion. »Nany stiehlt allen die Schau. Ihre Trauer leuchtet!« Sie blickte nur kurz zur Seite, als sich Lyda neben ihr auf die Samtkissen niederließ und den Kopf senkte. Zwei Frauen im schwarzen Schleier. Zwei Witwen …?
    »Ich
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