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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
Autoren: Marita Sydow Hamann
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schade, dass er bereits tot ist.«
    Oden lachte über seinen makabren Scherz.
    »Du hast ihn wohl dazu verleitet, was? Seine Zuneigung schamlos ausgenutzt? So ein kleines, verschlagenes Weibsstück …«
    Hanna zuckte mit den Schultern und blickte zu Boden.
    »Ha!«, lachte Oden auf und schlug mit seiner Faust auf die Armlehne des Elfenbeinthrons. »Habe ich`s mir doch gedacht, du kleines Luder!«
    Noch immer stand Hanna entblößt und fröstelnd vor Odens Thron. Sie schielte zu ihrem Kleid hinüber, das die Zwillinge achtlos zur Seite geworfen hatten, aber sie wagte nicht, es zu holen. Odens Gedanken waren offensichtlich weiter gewandert.
    »Aus Mannaheim, was?«, sagte er laut und ließ seine Blicke über sie wandern. Er beugte sich wieder vor und nickte vor sich hin.
    Auch wenn die Kleine in Bezug auf das Amulett keine große Hilfe war, konnte sie vielleicht doch noch nützlich sein.
    »Munin! Benachrichtige Od. Er soll sich an die Arbeit machen! Ich werde mich noch eine Weile mit unserer Nebelreisenden unterhalten … Und schaff das da weg!« Bei diesen Worten machte Oden eine vage Handbewegung in die Richtung des Rattenwesens, das immer noch stocksteif auf dem kalten Steinfußboden lag. Dann wandte er sich an Hugin.
    »Setze Lodur in Kenntnis! Du weißt, was zu tun ist!«
    Hugin nickte. Er ging zum Turmfenster und öffnete es weit. Dann schlug er seinen schwarzen Umhang mit beiden Armen auseinander und verwandelte sich vor Hannas Augen in den pechschwarzen Raben mit den kalten, blauen Augen. Mit einigen kräftigen Flügelschlägen flog er davon und ließ das Fenster, wie üblich, leicht geöffnet zurück.
    Munin griff sich das arme, halbtote Wesen und verließ den Raum. In Kürze würden sie Hannas kleine Kammer in Vingolf gründlich auf den Kopf stellen, denn Oden wollte sichergehen. Nichts wäre für ihn schlimmer, als dass sich das letzte Teil des Amuletts womöglich unbemerkt direkt unter seiner Nase befand.
    Oden erhob sich und schlurfte in seine Gemächer. Ohne sich umzudrehen, sagte er:
    »Wir haben viel Zeit, um uns zu unterhalten, mein Mädchen. Ich möchte alles erfahren. Soviel wie möglich … über deine Welt, die Erde … über Mannaheim …« Seine Stimme war bedrohlich, hungrig und voller Vorfreude. Hanna blieb allein zurück.
    Was hat dies alles zu bedeuten? Warum will Oden über die Erde Bescheid wissen?
    Verwirrt sah sie ihm nach.
    Eine kühle Meeresbrise drang durch das offene Fenster. Hanna, die vor Kälte bibberte, zog sich ihr Kleid in Windeseile über. Sie sortierte ihre Haare und strich sich die Schürze glatt. Dann setzte sie sich auf einen der harten Stühle, die für Besucher vorgesehen waren, und wartete.

2. Die Erde; Südschweden kurz vor zwölf Uhr
     
     
    I n der Bibliothek von Storby, einer Stadt in Südschweden, saß Jonas, ein Bär von einem Mann, an einem runden Holztisch, der viel zu klein für ihn war.
    Seine Stirn und Teile seiner Glatze waren in runzlige Falten gelegt, sein zum Zopf geflochtener Bart zuckte hin und her, während er mit dem Zeigefinger Zeile für Zeile verfolgte. Dabei murmelte er leise vor sich hin.
    Vor ihm stapelten sich unzählige Bücher – alle mit demselben Thema: Nordische Mythologie und Runen, sowie Fabeltiere aller Welt.
    Völlig vertieft in seine Lektüre streckte er seine stämmigen Beine unter dem Tisch aus. Außer der Bibliothekarin Eva merkte niemand, dass seine klobigen und schlammverschmierten Schuhe langsam trockneten und sich die Dreckskrusten unter dem Tisch verteilten. Die kleine, zierliche Frau seufzte leise, schüttelte resignierend den Kopf und ging schweigend ihrer Arbeit weiter nach.
    Wie Jonas war auch die Lehrerin Âsa ein regelmäßiger Besucher der kleinen, aber gut bestückten Bibliothek von Storby. Âsa unterrichtete Kinder mit Autismus und anderen Behinderungen. Das Autistenzentrum lag direkt neben der öffentlichen Schule.
    Sie und Linus kamen einmal pro Woche in die Bibliothek – wie auch heute. Linus war ein neunjähriger, stämmiger kleiner Junge mit einer extremen Vorliebe für Autos. Er brauchte die regelmäßigen Besuche, wie jeder andere die Luft zum Atmen. Abweichungen in seinem Tagesablauf konnte er nicht einordnen und reagierte deshalb mit Protest und Panik.
    Eva winkte Âsa, die gerade einen enormen Stapel Hefte und Bücher mit Autos aller Art auf den Tisch fallen ließ, freundlich zu. Linus’ braune Augen strahlten, sein Oberkörper wippte aufgeregt vor und zurück, während er seine Hände schüttelte, als
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