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Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)

Titel: Die Erben der alten Zeit - Der Thul (German Edition)
Autoren: Marita Sydow Hamann
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ihr schon zeigen, hatte er sich geschworen. Kaum zur Tür hinaus, krachte er fast mit Oden zusammen, der belustigt hinter dem Mädchen hersah.
    »Na, dieses Ding muss dir ja ordentlich gefallen haben, wenn du sie dir gleich noch einmal vornehmen willst!«, hatte Oden mit zynischem Ton von sich gegeben. Od hatte sich kerzengerade aufgerichtet, die Brust vorgestreckt und mit vollster Überzeugung gelogen: Sie wäre das Beste, das ihm je untergekommen wäre, heißblütig und wild.
    Od hätte vor Oden niemals seine gerade erlittene Schmach zugeben können. Nun wünschte er fast, er hätte es getan. Wünschte, er hätte sie doch als die Hexe dargestellt, die sie war, denn dann hätte er sie sofort beseitigen können. Aber nun war es zu spät. Er hatte sich in den letzten Wochen viel zu sehr in sein eigenes Netz versponnen, es gab kein Zurück.
    Nein, er durfte nichts riskieren. Es war das Beste, weiterhin alles zu verschweigen.
    Er würde so tun, als hätte er das Interesse an dem Mädchen verloren. Zumindest vorübergehend. Er hatte schon immer wechselnde, junge Dinger auf sein Zimmer geholt. Deshalb besaß er ja schließlich das Haus Vingolf – seinen Harem. Oden würde wohl kaum Verdacht schöpfen, wenn Od tat, was er immer getan hatte.
    Ja, so würde er es machen.
    Der Druck auf Ods Brust ließ ein wenig nach, er atmete tief durch. Inzwischen hatte er sein Ziel fast erreicht. Der lange, Gang öffnete sich und ging in eine kleine Vorhalle über. Od hielt kurz inne, um tief Luft zu holen und seine Sinne zu besänftigen. Nur wenige Meter entfernt befand sich die verschlossene, hohe Holztür, die zu Odens Gemächern führte.
    Die Vorhalle wurde von allen – ob Dienerschaft oder Besucher – für eine Verschnaufpause genutzt. Zum einen aufgrund des steilen Wendelganges und zum anderen – und das war wohl der eigentliche Grund – um sich auf die Begegnung mit Oden vorzubereiten. Doch sich Mut zuzusprechen fiel den meisten Besuchern angesichts der makabren Gestaltung der rußverschmierten, steinernen Wände nicht leicht. Fein säuberlich aufgereiht hingen dort nämlich etwa zwei Dutzend Exemplare von Odens herausragender Phönixsteinsammlung. In verschiedene Größen und Formen gegossen, schlossen die Phönixsteine, die unterschiedlichsten Kreaturen ein. Aus dem roten Gestein blickten den Besuchern im Tode erstarrte Käfer, Spinnen und Vögel entgegen. Aber auch menschlichere Wesen hingen dort zur Schau ausgestellt. Ein libellenartiges, kleines Mädchen, nur wenige Zentimeter groß, ein nixenähnlicher, in bunten Farben schillernder Meeresbewohner mit langen lila Haaren und ein kleines, kartoffelähnliches Wesen mit spitz zulaufenden Ohren, großer Knubbelnase und viel zu kurzen Beinen – ein Schwarzelf. Die Atmosphäre in der Vorhalle war von Tod und Schrecken geprägt, eine bewusste Einschüchterungsmaßnahme des Hausherrn.
    Sich für eine Begegnung mit Oden zu wappnen war für Od heute nicht nötig, denn Oden war fort und das schon seit geraumer Zeit. Od war lediglich in den Turm herauf gekommen, um Hugin und Munin Bericht zu erstatten.
    Eine Formsache nur. Kein Grund zur Besorgnis.
    Od atmete noch einmal tief durch und schob seine beunruhigenden Gedanken weit fort. Dann ging er mit üblich hartem Gesichtsausdruck auf die Tür zu, klopfte einmal kurz an und zog sie entschlossen auf
    Der Raum lag im Halbdunkel. Die wenigen Fackeln an den rußverschmierten, einst schneeweißen Steinwänden, warfen flackernde Schatten über reichverzierte Schränke und Kommoden. Ein mit Ornamenten versehenes Bücherregal lehnte neben der Tür. In Leder gebundene Bücher mit fremdartigen Schriftzeichen reihten sich, ordentlich nebeneinander sortiert, in den staubfreien Regalfächern und erweckten, genauso wie der Rest des Raumes, den Eindruck von pedantischer Ordnung und Genauigkeit.
    Am entgegengesetzten Ende war ein prunkvoll geschnitzter Thron zu erkennen. Sein elfenbeinfarbenes, poliertes Material schimmerte matt im Schein der Fackeln. Links und rechts des majestätischen Sitzes ragten pechschwarze Stangen empor, die auf Kopfhöhe in Podeste übergingen. Darauf saßen zwei ebenfalls pechschwarze Raben, die den Besucher regungslos anstarrten.
    Od trat auf den leeren Elfenbeinthron zu und deutete eine kurze Verbeugung an.
    »Ich bringe die gewünschte Nachricht«, sagte er hart. Ansatzlos flog einer der Raben auf Od zu und verwandelte sich direkt vor seinen Augen in einen bärtigen, dunkelhaarigen Mann mit schwarzen Koteletten und
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