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Die Entscheidung liegt bei dir!

Die Entscheidung liegt bei dir!

Titel: Die Entscheidung liegt bei dir!
Autoren: Reinhard K. Sprenger
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bleiben!«
    Berlins zweiter Fehler war, dieser Forderung das Ehrenschild »Freiheit« aufzukleben. Dabei hat er immer davor gewarnt, soziale Wünschbarkeiten mit Freiheit zu verwechseln. Natürlich gibt es soziale Verhältnisse, die die Ausübung von Freiheitsrechten erschweren. Man mag sich deshalb auch einsetzen für die Eröffnung von Lebenschancen für möglichst viele Bürger. Es wird sogar bisweilen unumgänglich sein, ein Stück Freiheit für ein Stück Sicherheit zu opfern. »Aber nichts«, so Berlin, »ist gewonnen mit der Verwirrung der Begriffe. […] Ein Opfer vergrößert nicht das, was geopfert wird, nämlich die Freiheit, wie groß auch immer das moralische Bedürfnis danach oder der moralische Gewinn dafür sein mag. Alles ist, was es ist: Freiheit ist Freiheit, nicht Gleichheit oder Fairness oder Gerechtigkeit oder Kultur oder menschliches Glück oder ruhiges Gewissen.«
    Die Beseitigung sozialer Übel mag ein wünschenswertes Ziel sein. Aber es ist eben keine Freiheit, sondern vielmehr der Preis der Freiheit. Will man das soziale Übel zum Verschwinden bringen, muss man die Freiheit zum Verschwinden bringen.
    Das ist der Punkt: Freiheit ist nicht teilbar, weder positiv noch negativ – sie hat kein Beiwort. Was mit »positiver Freiheit« |217| gemeint ist, das ist Unfreiheit. Und eine so umdefinierte Freiheit ist die Eintrittskarte für Millionen staatlicher Bürokraten, sich als Statthalter des moralischen Ganzen aufzuspielen, Politik und Recht zu moralisieren, Vorschriften für das »richtige« Leben zu erlassen, die Menschen zu erziehen und ihr konkretes Handeln im Namen des sozial Wünschbaren zu unterdrücken.
    So verändern sich alle Staaten, die Freiheit mit Gemeinwohl verwechseln, auf leisen Sohlen zur Despotie. Das ist oft nicht gleich erkennbar. Despoten treten selten mit offenem Machtanspruch auf, ihre Trümpfe legitimieren sie moralisch. Sie nennen sie sozial, ökologisch, bewahrend, gerecht, sicher, schützend, ethisch. Sind sie deshalb besser als diejenigen, die sie belehren und lenken wollen?
    In der Folge verkommt der Staat zur Umverteilungsmaschine, in der sich jeder bedient – vor allem aber die Umverteiler selbst. Ihnen geht es vorrangig um Mandate, Jobs und Einkommensquellen, allerdings sprechen sie ihre ganz normale Habgier nicht offen an, sondern kostümieren sie moralisch. Die wohlfahrtsstaatlichen Zuwendungen rechtfertigen wiederum Überwachung und Kontrolle – die in einem kaum für möglich gehaltenen Maße wuchern. Der Betreuungsstaat schafft Abhängige, erzieht zu Kindern, die an Freiheit ohne Verantwortung glauben. Bald wird es keine Wählerschaft mehr geben, die diese Entwicklung rückgängig machen kann. Wenn die Mehrheit von Transfereinkommen lebt, kann man Wahlen gewinnen, wenn man für Steuererhöhungen wirbt. Wer das Paradies auf Erden will, macht die reale Welt zur Hölle.
    Wie aber entgehen wir diesem Missverständnis der positiven Freiheit? Das wirkliche Problem beginnt mit der Tatsache, dass Freiheit in gesellschaftliche Spielregeln gegossen |218| werden muss, will man sie vom Abstrakten in das wirkliche Leben holen. Das heißt, man muss Grenzen einführen. Jede gesellschaftliche Verfassung bedeutet also eine Begrenzung der Freiheit. Das gilt für das bekannte Ende der Freiheit dort, wo die Freiheit des anderen beginnt. Ein »freiheitlich« verfasster Staat verzichtet deshalb auf einen anzustrebenden Endzustand, er beschränkt sich stattdessen auf Regeln für das tägliche Miteinander. Wilfried Hinsch hat das für den institutionellen Rahmen einer Gesellschaft so formuliert: »Menschen sollten nicht gezwungen werden, Dinge zu tun, die den tiefsten eigenen Auffassungen zuwiderlaufen.« Dem entspricht die Goldene Regel: »Was du
nicht
willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.« Oder anders: Bevormunde mich nicht! Lass mich in Ruhe!
    Aber können wir damit, dass man uns in Ruhe lässt, beziehungsweise mit unserer natürlichen Freiheit überhaupt etwas anfangen? Sind wir überhaupt Herr unserer Entscheidungen?

|219| Ist Willensfreiheit eine Illusion?
    Ein Teil der Menschheit sucht stets nach einer Instanz, der man die Verantwortung für das eigene Tun aufbürden kann. Früher machte man vor allem Gott, die Vorsehung, dann – wie oben gezeigt – die Politik verantwortlich. Heute scheinen einige Naturwissenschaftler diese Rolle übernehmen zu wollen und kommen damit einem gesellschaftlichen Bedürfnis nach faktischer naturwissenschaftlicher
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