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Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Entscheidung der Krähentochter: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Oliver Becker
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mein Verhalten, meine Eifersucht damals ausgelöst haben.« Mit leichtem Zittern strich er über die oberste Seite des Stapels. In seinen Augen schimmerte es feucht und er versuchte nicht, es zu verbergen. »Was ich tat, vermag ich nie wiedergutzumachen. Ja, ich schäme mich. Und dennoch bin ich erleichtert, dass alles in dieser Schrift festgehalten ist. Noch weitaus erfreuter als über all die großen Werke auf den beiden Wagen. Ich bin sicher, dass Robert von Falkenbergs Beobachtungen am bayerischen Hof und die Geschichte seines Lebens noch in vielen Jahren, Jahrzehnten, womöglich Jahrhunderten auf Interesse stoßen werden. Er war ein außergewöhnlicher Mann, der seine eigene Art zu denken hatte und die richtigen Schlüsse zu ziehen verstand. Gewiss wird er sich auch als hervorragender Chronist herausstellen. Schon früher waren seine Beobachtungen und sein scharfer Verstand gefragt.« Er seufzte auf. »Ich habe damals eine großartige, vielversprechende Laufbahn zerstört. Und heute ist mir vollkommen gleichgültig, wie ich bei seinen Schilderungen wegkomme. Ich denke so, wie ich es verdient habe.«
    »Ich selbst habe mir erlaubt«, erklärte Mentiri, »die Chronik in langen Schreibstunden mit einem Anhang zu vervollständigen, der vieles von dem aufgreift, was sich in den Jahren nach Robert von Falkenbergs Tod ereignete. Wohl wissend, dass der Kurfürst sehr interessiert daran sein würde.«
    »Und ob ich das bin.« Maximilian nickte. »Nur dass die Schrift weder Ihnen noch mir gehört.« Er sah zu Bernina.
    »Herr Mentiri, warum haben Sie die Chronik gestohlen?« Berninas Stimme stand fest und klar im Raum. »Hätten Sie damals mit mir gesprochen, so wäre ich gewiss nicht abgeneigt gewesen, Ihnen zu helfen und … «
    »Jetzt, da ich Sie kenne«, fiel er ihr nickend ins Wort, »muss ich Ihnen recht geben, Bernina. Es hätte andere Wege gegeben. Doch der, der ich bin, der ich ein halbes Leben lang war, der konnte nicht heraus aus seiner Haut. Ich musste stets Tricks anwenden; war ein unverbesserlicher Geheimniskrämer, der – selbst wenn er es wollte – gar nicht mehr mit offenen Karten spielen konnte. Einer, der allem und jedem misstraut, sogar sich selbst. Ich war und bin es gewohnt, im Verborgenen zu handeln, niemanden in meine Absichten einzuweihen. Ein einziges Wort zu viel hätte in der Vergangenheit meinen Tod bedeuten können. Sehen Sie es mir nach – ich konnte einfach nicht anders. Alles, was ich im Sinn hatte, war, meinen großen Plan umzusetzen. Der Plan, bei dem all die Bücher eine wichtige Rolle spielten. Und diese Schrift, die ich unbedingt in meine Hände bekommen wollte. Als mir dies gelungen war, hütete ich sie wie andere ihren Goldschmuck.«
    »Ich würde mich gerne mit Robert von Falkenbergs Chronik beschäftigen«, sagte Maximilian, wiederum an Bernina gerichtet. »Es ist Ihr Familienerbstück, das erkenne ich ohne Frage an, und deshalb frage ich Sie ganz bescheiden, ob Sie sie mir wohl ausleihen möchten.«
    »Bitte schön«, erwiderte Bernina schlicht.
    »Meinen ergebenen Dank.«
    »Ich schlage vor, eine Abschrift erstellen zu lassen.«
    »Das ist ein guter Gedanke.« Der Kurfürst hob die Hand. »Es wird sich gewiss eine Lösung finden lassen, das Wissen Robert von Falkenbergs einer größeren Leserschaft zugänglich zu machen.«
    »Diese Schrift hat mir dabei geholfen, lesen zu lernen.« Bernina lächelte nachdenklich. »Ich habe viel erfahren über meine Eltern. Mein Vater hat niemanden verunglimpft, nicht einmal jene Menschen, die ihn damals zur Flucht getrieben haben. Zwar erwähnte er einen gewissen Herzog, dessen Namen sparte er jedoch aus. Deshalb erkannte ich sehr spät die Zusammenhänge. Dafür sprach er von vielen Menschen, die ihm Wichtiges beigebracht haben. Ehrlich gesagt, ich hätte nie für möglich gehalten, dass die Schrift für andere Menschen von Bedeutung sein kann.«
    »Das ist sie«, antworteten Maximilian und Mentiri fast gleichzeitig.
    »Und ich vermag Ihnen beiden kaum zu sagen«, hakte der Kurfürst ein, »wie sehr mich dieser heutige Abend bewegt. Über die Chronik waren zahllose Gerüchte in Umlauf. Gibt es sie wirklich? Niemand wusste es. In der Tat, Sie sehen mich überaus gerührt. Und zudem bin ich froh, dass Sie, Bernina, mir gegenüber nicht allzu böse scheinen. Oder irre ich mich?«
    »Herr Mentiri versicherte mir, Sie wären nicht mehr derjenige, der Sie damals waren.«
    »Ich bin größter Hoffnung, dass es so ist.«
    Ein zartes Lächeln
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