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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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jüngeren Bruder Dedo von Groitzsch in sein Quartier, um sie über die Neuigkeiten zu unterrichten.
     
    Obwohl Brüder, waren die drei wettinischen Herrscher von Statur grundverschieden: Dietrich war schlank und geschmeidig, Otto stämmig und Dedo so fett, dass er mittlerweile Mühe hatte, auf ein Pferd zu steigen. Während sich Otto anfangs jahrelang auf schon fast beleidigende Art vom Kaiser ferngehalten hatte, reisten sie jetzt jedes Mal gemeinsam zu den Hoftagen, wenn Aussicht bestand, dass dort gegen ihren Erzfeind verhandelt wurde, den Herzog von Sachsen und Bayern.
    Dietrich war gespannt, wie seine Brüder die Nachricht vom bevorstehenden Gottesurteil aufnehmen würden, und vermied es, zu Hedwig zu sehen. Ottos Reaktion fiel allerdings noch heftiger aus, als er erwartet hatte.
    »Du willst dich wirklich und wahrhaftig dafür hergeben, nur wegen eines so vagen Versprechens?«, schnaubte der Meißner Markgraf verächtlich. »Wir haben wenig Grund, dem Staufer einen solchen Dienst zu erweisen.«
    »Warten wir nicht alle auf den Tag, an dem der Löwe endlich in Acht und Bann fällt?«, widersprach Dietrich. »Und Friedrich ist unser Kaiser. Wir sind ihm zu Lehnstreue verpflichtet.«
    »Du schon!«, brachte Otto wütend hervor. »Schließlich bist du der Nutznießer der Schmach, die er über unseren Vater gebracht hat.«
    Totenstille senkte sich über den Raum.
    Noch nie hatte sich Otto hinreißen lassen, diese Sätze auszusprechen, auch wenn er sie schon oft gedacht haben mochte. Doch nun war er nicht zu halten.
    »Denkst du, er würde
mir
die Ostmark geben? Oder gar Bautzen zurück?«
    Vor mehr als zwanzig Jahren, kurz nach seiner Krönung, hatte der Kaiser dem alten Meißner Markgrafen das Burglehen Bautzen entzogen, um es dem Herzog von Böhmen zuzusprechen. Ihr Vater Konrad hatte die öffentliche Demütigung nur überstehen können, indem er den weltlichen Ämtern entsagte und sich in ein Kloster zurückzog, wo er wenig später starb. Seinen Besitz teilte er unter den fünf Söhnen auf. Dadurch bekam Dietrich die östliche Mark, Dedo wurde Graf von Groitzsch, Friedrich erhielt Brehna und Heinrich die Grafschaft Wettin. Aber Otto, dem als Ältesten mehr zugestanden hätte, musste sich mit der Mark Meißen begnügen und dazu noch den Ehrverlust hinnehmen, das Burglehen Bautzen abgesprochen zu bekommen. Darüber war er so verbittert, dass er sogar dem Begräbnis seines Vaters fernblieb.
    Dietrich verspürte nicht die geringste Lust, mit seinem Bruder darüber zu streiten. »Der Kaiser will seine Einflussgebiete stärken. Er könnte nach meinem Tod die Ostmark auch als Reichslehen einziehen«, warf er nicht ohne Schärfe ein. »Also sei zufrieden, wenn sie unserem Haus erhalten bleibt, selbst wenn sie an Dedo fällt!«
    »Du solltest sogar froh sein, dass zumindest Dietrich und ich das Vertrauen des Kaisers erworben haben«, meldete sich nun auch der feiste Dedo zu Wort und funkelte seinen ältesten Bruder aus Augen an, die tief in seinem Gesicht versunken waren. »Vater hat mit Friedrichs Gegnern paktiert. Der Kaiser hätte auch seinen ganzen Besitz einziehen können. Dann wären wir alle leer ausgegangen. Wenn er mir die Ostmark zuspricht statt dir, ist das immer noch besser, als wenn er sie sich zurückholt.«
    »Mir ist durchaus nicht entgangen, dass sich der Rotbart bemüht, die Fürsten klein zu halten, die ihm zu mächtig werden«, wütete Otto mit immer lauter werdender Stimme. »Aber ich warte immer noch darauf, dass er dabei endlich mit dem Löwen beginnt!«
    »Genug!«
    Mit einem Ruck stand Hedwig auf und warf die kunstvoll geflochtenen blonden Zöpfe zurück. Voller Verachtung sah sie erst zu Dedo, dann auf Otto.
    »Merkt ihr nicht, wie würdelos das ist?! Ihr streitet darum, wer von euch zuerst Dietrichs Besitz an sich reißt, wenn euer Bruder tot ist. Dabei steht er hier lebend vor euch! Ihr solltet lieber beten, dass sein Vorhaben glücklich endet. Schließlich geht es um ein Gottesurteil. Um sein Leben!«
    Sie zog ihren Umhang enger um die Schultern. »Ihr findet mich in der Kirche.« Ohne einen Blick zurück rauschte sie hinaus.
    Verwundert sah Otto ihr nach.
    Sicher, sie stritten häufig, und Hedwig machte kein Hehl daraus, wenn sie nicht mit ihm einer Meinung war. Doch bis eben hatte sie in all den Jahren tunlichst darauf geachtet, ihm nie vor Zeugen offen zu widersprechen und ihn damit bloßzustellen. Bisher hatte sie jedes Mal gewartet, bis sie allein waren, ehe sie ihre Meinung
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