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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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verkündete Friedrich. »Der Vorwurf scheint Uns zu heftig, um darüber hinwegzugehen. Zumal Fürst Dietrich bereit ist, die Richtigkeit mit einem Gottesurteil zu beweisen.«
    Der Kaiser sah sich suchend im Saal um – so als sei ihm bisher gar nicht aufgefallen, dass der Löwe abwesend war.
    »Also setzen Wir, der durch Gottes Gnade erhabene Kaiser, den Hoftag in Kayna im Monat August als Austragungsort des Zweikampfes fest. Dem Herzog von Sachsen und Bayern wird Nachricht gesandt, dass er zu erscheinen habe.«
    Friedrich und Beatrix erhoben sich und beendeten damit die Zusammenkunft. Sofort sah sich Dietrich von Männern umringt, die ihm für seinen Mut Anerkennung aussprechen wollten. Hedwigs Brüder waren die Ersten, die sich zu ihm durchdrängten und ihm auf die Schulter klopften. Während er die lautstarken Sympathiebekundungen Bernhards entgegennahm, vermied Dietrich sorgfältig den Blick in Richtung seiner Geliebten.
     
    Erwartungsgemäß wurde von nun an kein anderes Thema so ausgiebig unter den Fürsten und ihren Gefolgsleuten diskutiert, die zum Hoftag an die Elbe gereist waren, wie Dietrichs Herausforderung.
    Nur einer beteiligte sich nicht an den unzähligen Debatten und sogar Wetten zum bevorstehenden Gottesurteil und dessen Ausgang: der Meißner Markgraf Otto von Wettin. Ein heftiger Gichtanfall hatte ihn aufs Krankenlager gezwungen.
    Als auch der Aderlass keine Besserung brachte, den ihm ein eilig herbeigerufener Medicus verordnete, und Ottos schlechte Laune für alle Anwesenden schlichtweg unerträglich wurde, beschloss Hedwig, einzugreifen.
    »Ihr solltet nach Marthe von Christiansdorf schicken lassen, mein Gemahl«, legte sie ihm mit höflichem Lächeln nahe, während sie ein Pergament aufnahm und entrollte, das Otto wütend beiseitegefegt hatte. »Sie hat nicht nur als Wehmutter einen guten Ruf, sondern kennt sich auch mit allerlei Kräutern und anderen Mitteln gegen die verschiedensten Leiden aus.«
    Dann vertiefte sie sich scheinbar in das Pergament, als erwarte sie keinen Widerspruch. Dabei wusste Hedwig, auch ohne hinzusehen, dass die anwesenden Hofdamen und Diener wie gebannt den Atem anhielten. Würde der Markgraf den Rat annehmen? Und würde die Frau des Christiansdorfer Burgvogtes helfen können? Sie alle hofften darauf, um den gefürchteten Wutausbrüchen des Markgrafen zu entgehen.
    Doch Otto verzog nur abfällig das Gesicht, während er ächzend nach einer bequemeren Stellung in seinem Bett suchte.
    »Ich halte mich lieber an gelehrte Männer als an die fragwürdigen Mittel unbedarfter Kräuterweiblein«, erklärte er mürrisch.
    Aber Hedwig ließ nicht locker. »Und was haben die gelehrten Männer ausrichten können gegen Eure Schmerzen?«, hielt sie ihm vor. »Erinnert Euch: Vor Jahren hat sie sogar unseren jüngeren Sohn geheilt, nachdem die Ärzte nicht mehr helfen konnten.«
    Natürlich erinnerte sich Otto. Damals war diese Marthe fast noch ein Kind gewesen, ein zerlumptes Ding, das mit den ersten Siedlern nach Christiansdorf gekommen war und von Christian auf den Burgberg gebracht wurde. Sich von ihr behandeln zu lassen, erschien ihm wirklich suspekt, auch wenn er sie in den Stand einer Edelfreien erhoben hatte. Deshalb eigentlich noch viel mehr. So etwas gehörte sich nicht für eine Dame von Stand, da hatten die Pfaffen schon recht, die ihr die Arbeit bestenfalls unter Aufsicht gestatten wollten. Aber mittlerweile fühlte er sich so schlecht, dass er bereit war, fast alles zu versuchen, nur damit es ihm besser ging. Zumal ihm das die Vorhaltungen seiner überfürsorglichen Frau ersparen würde.
    »Gut, lasst sie holen«, entschied er und schloss resigniert die Augen. Das hinderte ihn, zu bemerken, wie die meisten der Anwesenden erleichtert aufatmeten.
    Wenig später betrat die junge Frau die Unterkunft des Markgrafen und kniete nieder.
    »Tut etwas dagegen«, stöhnte Otto und streckte ihr einen nackten Fuß entgegen. Die große Zehe war auf fast doppelten Umfang angeschwollen und wirkte beinahe durchsichtig.
    Marthe trat näher und fing einen warnenden Blick Hedwigs auf. Dann schüttelte die Markgräfin auch noch kaum erkennbar den Kopf, während sie Marthe fixierte.
    Die junge Heilkundige verstand. Hier durfte sie die besondere, heilende Kraft ihrer Hände nicht einsetzen. Besser, Otto wusste nichts von dieser Fähigkeit, die ihr den Vorwurf heidnischer Zauberei einbringen konnte. Er war zu unberechenbar, als dass sie sich ihm auf solche Weise ausliefern durfte.
    Also
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