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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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deinem
Bruder
geprügelt? Obwohl der ein Ritter ist und du ein Knappe und also zu gehorchen hast?!«, brüllte er.
    »Er hat unsere Mutter beleidigt – Eure Gemahlin, mein Herr und Vater«, verteidigte sich Dietrich heftig.
    »Was auch immer er gesagt haben mag, es gibt dir noch lange nicht das Recht, ihn anzugreifen!«
    Trotzig senkte Dietrich den Kopf.
    Sein ganzes Leben lang war er von dem Älteren drangsaliert worden: in den ersten Kindheitsjahren zu Hause, später, wenn sie sich auf Hoftagen begegneten, und ganz besonders genüsslich, seit Albrecht nach seiner Schwertleite in den Dienst des Königs getreten war, Barbarossas vierzehnjährigem Sohn Heinrich.
    Als Knappe durfte er sich nicht dagegen wehren, so schwer es auch fiel. Doch als ihm sein Bruder nach einer Fieberattacke voller Häme vorgehalten hatte, einen solchen Schwächling könne sein Vater unmöglich gezeugt haben, er müsse wohl ein Bastard sein, für den sich seine Hure von Mutter mit einem Stallknecht im Stroh gewälzt habe, da war es mit seiner Beherrschung vorbei. Wütend war er auf den Älteren losgegangen.
    Selbstverständlich hatte sich Albrecht in Begleitung seiner besten Freunde befunden, die sich ein Vergnügen daraus machten, den aufsässigen Knappen nach allen Regeln der Kunst zusammenzuschlagen. Dann erst ging Albrecht zum König und beschwerte sich offiziell über die Verfehlung des Jüngeren.
    Dietrich hatte die Hoffnung längst aufgegeben, dass sein Vater den Erstgeborenen und Erben in die Schranken weisen würde. Die besorgten Einmischungen Hedwigs hatten nur zur Folge, dass Albrecht inzwischen auch seine Mutter inbrünstig hasste, wie die hässliche Anschuldigung einmal mehr gezeigt hatte.
    »Wenigstens bleibt so der Streit in der Familie«, knurrte Otto etwas gemäßigter. »Und ich muss nicht jemandes Stillschweigen teuer mit meinem Silber erkaufen.«
    Doch bei seinen nächsten Worten wich das Blut aus Dietrichs Gesicht, was die Spuren der Schlägerei nur noch kräftiger hervorhob.
    »Ich bin der ewigen Streitereien zwischen euch leid. Da du offensichtlich nicht mit deinem Bruder auskommen kannst, bleibt mir keine Wahl. Ich stecke dich ins Kloster, wie es einem Zweitgeborenen zukommt. Das hätte ich längst tun sollen.«
    Die Augen des jungen Mannes begannen zu brennen, während er seinen Vater fassungslos anstarrte.
    Nur mit Mühe beherrschte der Siebzehnjährige seine Stimme. »Mein Herr und Vater … ich bitte Euch … erlegt mir jede Strafe auf, die Euch angemessen erscheint, aber nicht diese! Schickt mich nicht ins Kloster!«
    Allmächtiger Gott, betete er stumm, ich will Dir aus ehrlichem Herzen dienen, doch als Ritter, nicht als Mönch. Bitte hilf, dass er es sich anders überlegt. Und dass ich nicht hier vor meinem Vater zu flennen beginne wie ein kleines Mädchen …
    Jäh erhob sich Hedwig und zog damit alle Blicke auf sich. Otto erwartete, dass sie ihm erneut Vorhaltungen machen würde wie beim Streit mit seinen Brüdern. Doch zu seiner Überraschung sank Hedwig vor ihm auf die Knie und umklammerte seine Beine, während sie zu ihm aufblickte.
    »Sperrt ihn nicht ins Kloster, ich flehe Euch an!«, bat sie verzweifelt. »Ihr wisst wie ich, dass ihm die Berufung dafür fehlt. Er will und muss ein Ritter werden!«
    Verblüfft starrte Otto auf seine Frau.
    Schon immer war Dietrich ihr Liebling gewesen, während sie für ihren Ältesten, ein ganzer Kerl so recht nach seinem Geschmack, wenig übrig zu haben schien. Aber dass sie deshalb sogar vor ihm auf die Knie sank? Das hatte es in all den Jahren seit ihrer Vermählung noch nicht gegeben!
    Dies war eine Wendung, die ihn seine Schmerzen und auch seine Wut auf den jüngeren Sohn fast vergessen ließ.
    Die stolze Hedwig, die Tochter des mächtigen Herrschers der Mark Brandenburg, lag um Gnade bettelnd zu seinen Füßen!
    Er widerstand der aufflackernden Versuchung, sie hochzuziehen und die unwürdige Szene zu beenden. Stattdessen sagte er kein Wort, um den Anblick so lange wie möglich zu genießen.
    Welch eine Genugtuung!
    In den ersten Jahren ihrer Ehe war er geradezu vernarrt in seine so viel jüngere schöne Frau gewesen. Aber mit der Zeit hatte sich das gelegt. Es gab zu viel Streit, nicht zuletzt um seine Affären und Fehlentscheidungen, und zu seinem Ärger hatte sie fast immer recht behalten.
    Jetzt konnte er ihr das heimzahlen, jetzt konnte er ihr die Hochnäsigkeit austreiben … Und das brachte ihn auf den nächsten bittersüßen Gedanken.
    Seit längerem
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