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Die Entscheidung der Hebamme

Die Entscheidung der Hebamme

Titel: Die Entscheidung der Hebamme
Autoren: Sabine Ebert
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allerdings nicht sehr oft. Und eigentlich hätte diese Zeremonie nur der Kaiser vornehmen dürfen. Aber das Kaiserreich war groß, vor allem da jede Strecke zu Pferd oder zu Fuß zurückgelegt werden musste, und der Kaiser war in der Regel weit fort, so dass man einem Markgrafen durchaus unterstellen kann, bei Bedarf oder aus einer Laune heraus seine Kompetenzen überschritten zu haben.
    Und was das Verhältnis von Markgraf Otto zu Randolf betrifft: Er hat ihn gebraucht, so wie der Kaiser Heinrich den Löwen gebraucht und ihm deshalb lange seine Verfehlungen nachgesehen hat – bis zum Bruch in Chiavenna. So musste erst etwas wirklich Dramatisches geschehen, bis Otto bereit war, Randolf fallenzulassen. Kommen Ihnen nicht auf Anhieb ein paar Beispiele dafür in den Sinn, dass auch heute noch Menschen mit Macht und Einfluss niemand so schnell auf die Füße tritt, selbst wenn sie sich grobe Verfehlungen erlauben?
    Doch zurück zu den Schurken in meinen Romanen.
    Bei Lesungen und in der Fanpost diskutieren die Leser gern die verschiedensten Details der Romanhandlung mit mir, wollen wissen, warum ich dies oder jenes so und nicht anders gestaltet habe, und äußern ihre Wünsche – wozu ich allerdings sagen muss, dass man es nie allen recht machen kann, weil diese Wünsche sich oft genau widersprechen und ich am Ende die Geschichte so erzählen muss, wie es die historischen Hintergründe und die Charaktere der Protagonisten und Antagonisten erfordern, auch wenn ich gelegentlich eine Anregung aufgreife.
    Manche Leser schicken mir sogar Wunschlisten, was im nächsten Band geschehen soll. Zum Beispiel meinte eine Frau nach Lektüre des dritten Bandes, dieser Albrecht sei ja solch ein Widerling, über den würde sie im vierten Band überhaupt nichts mehr lesen wollen.
    Nun ist es das größte Lob für einen Autor, wenn die Leser mit den von ihm geschaffenen Figuren mitfiebern, sie lieben oder inbrünstig hassen. Doch ganz abgesehen davon, dass Albrecht – wie ja der Zeittafel zu entnehmen – als ältester Sohn des Markgrafen 1190 dessen Nachfolge antrat und damit für die weitere Handlung unverzichtbar ist, ganz gleich, ob er nun ein tüchtiger Herrscher oder ein grausamer Tyrann war – wer möchte wohl ein Buch lesen, in dem nur nette Typen vorkommen? Die sitzen dann die ganze Zeit friedlich am Tisch und reden übers Wetter. Klingt nicht besonders spannend!
    Die historische Figur des Albrecht hat einen denkbar schlechten Ruf. Er nahm seinen Vater gefangen, um die Erbfolge zu erzwingen, was damals ein solcher Skandal war, dass der Kaiser persönlich intervenieren musste. Die Chronik des Klosters vom Petersberg berichtet außerdem, dass er dreitausend Mark Silber vom Altar des Klosters raubte – ein unglaubliches Sakrileg. Und schon bald nach seinem Herrschaftsantritt war er so in Fehden und Kämpfe verstrickt, dass er sich mit der Zeit in eine hoffnungslose Situation manövrierte, auch beim Kaiser nicht mehr vorgelassen wurde und schließlich plante, sich in Leipzig zu verschanzen und alles bis auf Freiberg und Camburg niederbrennen zu lassen. An dem Punkt der Geschichte ist er in Freiberg vergiftet worden. Das alles wird in den letzten beiden Bänden der Romanreihe eine Rolle spielen. So muss ich diese Leserin enttäuschen – ich kann ihr leider Albrecht nicht ersparen. Aber vielleicht entschädigt sie sein schmähliches Ende …
    Doch die bei der Lesetour zu diesem Buch mit Abstand am häufigsten gestellte Frage lautet: »Warum haben Sie Christian am Ende des dritten Bandes sterben lassen?«
    Viele Leser schrieben mir, dass sie an dieser Stelle geweint haben – sogar Männer gaben das zu, und das muss man erst einmal schaffen! Etliche dachten auch bis zum Schluss, das sei alles nur ein Trick; irgendwie würde er am Ende wiederauftauchen und glücklich mit Marthe weiterleben, und waren dann überrascht, dass ich das nicht so auflöste. Eine Leserin forderte sogar in ultimativer Weise, ich solle Christian im vierten Band wieder auferstehen lassen. »Wie soll das gehen?«, fragte ich zurück. »Er ist schließlich vor aller Augen gestorben und begraben worden.«
    »Ist mir egal. Andere Autoren machen das auch!«, antwortete sie.
    Ja, in der Fantasy ist das alles möglich. Und in manchen Fernsehserien auch. Oder zumindest taucht dann überraschend ein Zwillingsbruder auf, von dem vorher niemand etwas wusste, wenn die Einschaltquoten nach dem Serientod eines Akteurs sinken.
    Aber im historischen Roman geht das
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