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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Jane Christo
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sich damit abgefunden, sodass er nach einer Weile das Grauen als etwas Normales betrachtete.
    Heute war Blanche sein Zuhause, darum war er nicht auf die widersprüchlichen Gefühle vorbereitet, die ihn in der Hölle wie einen alten Freund empfingen. Die Zeit an der Oberfläche, die Wochen mit seiner Gefährtin, hatte ihn verändert. Ihn und seine Haltung. Davon abgesehen, dass er seine Umgebung anders wahrnahm, hatten sich seine Prioritäten gewandelt.
    Er diente nicht länger einem Herrn. Saetan, bei dem er tausend Jahre in Lohn und Brot gestanden hatte, war nur noch ein Schatten seiner selbst. Zerfressen von einem Verfolgungswahn, der an Paranoia grenzte, hatte er vergessen, worin seine Aufgabe bestand. Tchort war einer der Ersten, der Saetans Schwäche erkannte – und der Sohn des Teufels wusste das. Das war einer der Gründe, warum er Tchort nie zum Erzdämon erhoben hatte.
    Dabei hatte Saetan nur einen verdammten Job zu erledigen, er sollte den Menschen die Schattenseite zeigen, damit sie erkannten, wie gut es ihnen ging. Denn das Licht konnte einen blenden, und zum Wachstum gehörte Ruhe. Ständiges Licht verbrannte die Erde, die Nacht diente der Erholung.
    Um sich zu entwickeln , war es notwendig, innezuhalten, und Entscheidungen zu treffen. Wer bin ich und wohin möchte ich gehen? In der Blaupause war der Hades nie als etwas Schlechtes angelegt gewesen. Er sollte lediglich der Besinnung dienen, nicht als Ort der Qualen. Doch wo viel Leid herrschte, waren Erinnerungen nichts Angenehmes, und so verschoben sich die Pole, bis sie sich gegenüberstanden wie Feuer und Eis. Statt eins zu sein, wurde getrennt, und man musste wählen, jeden Tag, jede Stunde, in jeder verfluchten Minute: Wer wollte man sein, für welches Leben entschied man sich?
    In der Hölle war die Konfrontation mit sich und seinen Dämonen intensiver als sonst wo, denn hier gab es weder schützende Filter noch fehlgeleitete Beweggründe, hinter denen man sich im Alltag verstecken konnte. Hier war man mit seinem nackten Selbst konfrontiert sowie den Entscheidungen, die man in seinem Leben getroffen hatte, einschließlich aller Konsequenzen für das Umfeld. Ein Mord löschte nicht bloß ein Leben aus, er berührte zahlreiche Menschen, Familie, Freunde, Kollegen und Nachbarn. Er erzeugte Wellen, ein Feld aus Emotionen, die sich im Orbit befanden und gefühlt werden wollten. Trauer, Wut, Verzweiflung. Solange diese Gefühle nicht angenommen wurden, legten sie sich wie Feinstaub über das kollektive Bewusstsein und erzeugte Stimmungen. Spätestens, wenn man schlief, verband sich das Unterbewusstsein mit all den ungewollten und abgelehnten Emotionen, die sich irgendwann nicht mehr zuordnen ließen. Das Gleiche galt für die kleinen Dinge. Eine simple Lüge konnte den Blickwinkel so verkrümmen, dass sich die Realität in einer Weise verbog, bis sie die eigene Wahrnehmung verstümmelte und den Blick auf das wahre Leben in all seiner Pracht verstellte.
    Saetan war nichts anderes als eine Frage, verbunden mit der Aufforderung, sich ihr zu stellen. Dabei ging es nicht um Schwarz oder Weiß, sondern darum, welche Haltung man in seinem Leben einnehmen wollte. Lebte man in Angst oder in Liebe? Dazwischen gab es zahlreiche Facetten, die dazu beitragen konnten, den eigenen Weg zu finden.
    Saetan war die Abwesenheit von Licht, die Kehrseite ein und derselben Medaille. Schließlich konnte man die Menschen nicht zwingen, ein glückliches und erfülltes Leben zu führen. Wie sollten sie den wahren Wert von Liebe erfassen, wenn ihr Herz nie gebrochen wurde? In der Theorie klang das alles gut und schön, leider sah die Praxis anders aus. Saetan hatte sich an seiner Macht betrunken, und wie jeder Alkoholiker brauchte er immer größere Mengen seiner Droge, um den ständigen Zustand des Rausches aufrechtzuerhalten . Irgendwann war er nur noch sinnlos besoffen und traf irrsinnige Entscheidungen, die nichts mehr mit dem ursprünglichen Plan zu tun hatten, nämlich, die Menschen zu versuchen. Sie ihre Schwäche sehen zu lassen, damit sie sie annahmen und weitergingen. Das alles war kein Geheimnis, jeder wusste davon. Die Dämonen wie die Engel, doch niemand tat etwas. Stattdessen hatten sie weggesehen, und etwas vom Himmlischen Willen gefaselt, doch Gott hatte nicht das Geringste mit den Kriegen im Kleinen wie im Großen zu tun. Er hatte ihnen die Freiheit geschenkt, eigene Entscheidungen zu treffen, und wie viele große Ideen, war auch diese ordentlich missbraucht
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