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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Jane Christo
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ihre Unzulänglichkeiten durch aufgeblasenes Gehabe zu vertuschen suchten. Eben dieser Spalt einer Persönlichkeit war die Kerbe, an die er jahrhundertelang das Stemmeisen angelegt und Menschen gebrochen hatte.
    Diese und andere Überlegungen beschäftigten ihn, während er durch ein Meer unheilvoller Gedanken watete, um seine Geliebte zu finden. Blanche hatte sich mitreißen lassen und befand sich an einem Ort, zu dem er keinen Zutritt besaß – in der Schmiede der Albträume. Doch er konnte ihr Erinnerungen senden, Bilder und Gerüche. Darüber hinaus spürte er Miceals Anwesenheit, und damit einhergehend Saetans Qual. Gut.
    Beliar schloss die Augen, breitete die Arme aus und nahm einen tiefen Atemzug. Nicht, um seine Lungen mit Sauerstoff zu füllen, sondern mit etwas anderem. Er bohrte seinen Geist in seinen einstigen Herrn, verband sich mit ihm und nährte sich aus hunderttausend unterschiedlichen Emotionen. Schon bald fühlte er Aestarohs und Tchorts Anwesenheit, die das Gleiche taten. Letzterer hatte das, was von Ithuriel übrig war, ins Licht geleitet, und war zurückgekehrt, um sich zu revanchieren.
    Der Geist des Engels hatte Spuren hinterlassen und Miceal auf Blanches Fährte gelockt, etwas, das in der Hölle nicht so einfach war. In einem Sumpf aus Emotionen war es schwer, einzelne Regungen zu orten. Mit Licht lag die Sache anders. Es war wie eine Phosphorspur im Ozean, der man nachts selbst aus großer Höhe mit bloßem Auge folgen konnte. Ithuriel war diese Spur. Die beiden Erzdämonen einschließlich Tchort schlugen ihre Fangzähne in die Fährte, die sie zu Saetan führte, der der Übermacht seiner Gegner nicht standhielt. Miceals Licht, inklusive das der anderen Engel, beendete sein elendes Dasein, dann stand die Zeit für einen Wimpernschlag still. Der neue Herr nahm seinen Platz ein, ernannte seinen Hof und bestimmte vier Erzdämonen, einen für jede Himmelsrichtung.
    Zum Schluss nahm er seinen Lohn von Miceal entgegen, denn der Erzengel beglich immer seine Schulden – und heute war Zahltag.
    In Wahrheit hatte Tchort nie die Seiten gewechselt. Stattdessen war er einen Deal mit Miceal eingegangen: Die Unterstützung der Engel im Kampf gegen Saetan, dafür würde sich der Herr des Ostens an die Verträge halten.
    Außerdem verlangte er den Goldenen.
    Warum Zarcyel so lange seiner Strafe entgangen war, entzog sich Beliars Wissen. Womöglich hatte Miceal diesen Tag so lange herausgezögert, um ihn bis ins kleinste Detail zu planen, damit nichts dem Zufall überlassen blieb.
    Vielleicht wollte er auch abwarten, wohin sich Blanche entwickelte. Oder zu wem. Möglicherweise hatte er nur auf den richtigen Augenblick gewartet, denn im Gegensatz zu Beliar wurden Zarkyel nicht bloß die Flügel genommen. Miceal ekelte sich so sehr vor ihm, dass er seinen ehemaligen Kollegen in Geschenkpapier wickelte und mit besten Grüßen an den neuen Höllenfürsten schickte.
    Pacta sunt servanda .
    Beliar stieß den angehaltenen Atem aus, während er langsam die Augen öffnete. Seine Arbeit war getan, der Rest interessierte ihn nicht. Endlich konnte er sich wichtigeren Dingen zuwenden, und die würde er nicht länger aufschieben.
     
    *
     
    Als Blanche erwachte, war irgendwas anders. Nachdem sie sich auf die Seite drehte, wusste sie auch was. Zum einen war sie splitterfasernackt und sie schlief nie nackt, zumindest nicht, wenn sie allein war. Normalerweise hatte sie ihr Waffenarsenal an Arme und Beine geschnallt. Die einzige Konzession an den Schlaf waren die ausgezogenen Stiefel, was ein gewisses Restrisiko darstellte. Blanke Füße kamen nicht gut, wenn man schnell verschwinden musste – im Winter konnte sie schließlich nicht barfuß flüchten.
    Von ihrer Nacktheit abgesehen lag sie in einem Daunenbett, und zwar buchstäblich. Pechschwarze Federn, die nach Zimt und Espresso dufteten, umhüllten sie wie einen Kokon. Sie vergrub das Gesicht in der dunklen Pracht und atmete tief ein. Yummi. Eine raue Hand fuhr ihren bloßen Rücken entlang und hielt an genau den richtigen Stellen inne, um ihre verspannten Schultern zu massieren. Himmlisch.
    „Wo warst du?“, murmelte sie gegen Beliars Brust.
    „Ist das wichtig?“
    Statt zu antworten, seufzte sie. Alles, was wichtig war, hielt sie in den Armen – und es schnurrte wie ein Kätzchen, wer hätte das gedacht? Oder war das ein Knurren? Ups, Letzteres kam von ihrem Magen. Das Vibrieren seines Körper verriet ihr, dass ihr Dämon ein Lachen unterdrückte. Blanche
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