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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse
Autoren: Stefan Wolf
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Egal, worum es geht. Zum Henker, worum geht’s denn?
Entschuldigen Sie. Aber ich bin etwas verwirrt. Ich dachte, ich könnte eine
Mailänder Schnecke angraben. Stattdessen — alle Achtung! Sie haben Ihre Rolle
gespielt. Mir wird der Abend unvergeßlich bleiben.“
    Die plötzliche Härte in ihrem Gesicht
machte einem Lächeln Platz.
    „Der Disko-Besuch gilt, Gus. Aber erst
das Geschäftliche. Sie sollen einen Bullen beseitigen.“
    „Oh.“
    „Und Sie sind völlig auf sich allein
gestellt. Wenn was schiefgeht, haben Sie von Paresano nichts zu erwarten. Der
kennt Sie nicht. Niemand von uns kennt Sie. Sie werden auch mich nur dann wiedersehen,
wenn alles gelingt. Dann bringe ich Ihnen die zweite Hälfte des Geldes.“
    „Sie wiederzusehen, Sophia, soll mir
jede Anstrengung wert sein.“
    Sie nickte, als sei das
selbstverständlich.
    „Er ist Kommissar bei der Kripo und
heißt Emil Glockner“, erklärte sie. „Auf sein Betreiben ist unser hiesiges
Dealer-Netz zusammengebrochen. Gestern abend wurden unsere letzten vier Leute
verhaftet. 14 Kilo Heroin gingen verloren. Paresano ist fest entschlossen, das
nicht einfach hinzunehmen. Er sieht in diesem Glockner einen persönlichen
Feind, womit er recht hat. Paresano hat in letzter Zeit seine Zurückhaltung
aufgegeben. Er überläßt der Polizei nicht kampflos das Feld, sondern wehrt
sich. Die neue Taktik heißt Einschüchterung. Es wird dazu führen, daß die
Bullen vorsichtiger werden. Bald wird keiner mehr bereit sein, sein Leben zu
riskieren. Wofür denn? Für das Gehalt? Oder für eine Belobigung? Die meisten
haben Familie und werden sich entsprechend verhalten, wenn sie erstmal
begreifen, woher der Wind weht. Wie Sie sicherlich gehört haben, sind ein
Staatsanwalt und ein ermittelnder Kommissar — bei uns in Italien — über die
Klinge gesprungen. Das wirkt sich bereits aus. Wir haben in Mailand keine
Schwierigkeiten mehr, und wir werden auch hier das Netz wieder knüpfen. Glockners
Tod wird seinen Kollegen eine Warnung sein. Und Sie, Gus, sind der richtige
Mann für diese Aktion.“
    Uckmann lächelte geschmeichelt.
    „Ich bin nicht nur der richtige, Sophia
— es gibt keinen besseren. Von diesem Glockner habe ich schon gehört. Aber die
Öffentlichkeit wird nur noch einmal von ihm hören — nämlich von seinem
tragischen Ende. Er ist so gut wie tot. Das können Sie Paresano ausrichten.
Darf ich Ihnen jetzt trotzdem zeigen, wie herrlich ich wohne?“
     
    *
     
    Am Mittwochvormittag flog Signorina
Sophia mit der ersten Maschine nach Mailand zurück.
    Schade! dachte Uckmann. Er fühlte sich
ein bißchen verkatert. Trotzdem ging er sofort daran, sich das Mordgeld zu
verdienen. Eine solche Aktion wollte vorbereitet sein.
    Milde Luft füllte die Straßen, als er
zur Altstadt fuhr. Er ließ den Porsche in einem Parkhaus. Auf der Toilette
veränderte er sein Aussehen. Die blonde Perücke wirkte echt, die Brille mit den
getönten Gläsern verbarg seine Augen.
    Er beherrschte noch andere
Möglichkeiten, sich zu maskieren. Aber das war heute nicht nötig.
    Er verließ das Parkhaus und stiefelte
tiefer in die malerische Altstadt hinein. Hier bestand die Fahrbahn aus
Kopfsteinpflaster. Denkmalschutz garantierte den Erhalt der alten Häuser. Auf
einem von Eichen umstandenen Platz war Wochenmarkt. Hausfrauen kauften ein.
    Uckmann hatte nur eine Tasse
Pulverkaffee gefrühstückt. Jetzt meldete sich der Hunger, und er kaufte eine
Tüte überreifer Bananen, die er sich, als er weiterging, reinzog.
    Er kam in die Straße, wo die Glockners
wohnen. Eine Weile blieb er an der Ecke stehen und beobachtete Frau Glockners
Lebensmittelgeschäft. Es war klein, aber fein.
    Gabys Mutter hatte Obst- und
Gemüsekisten im Freien aufgestellt. Ihre Kundschaft bevorzugte die frische
Ware. Uckmann sah, wie Margot Glockner immer wieder mit Kundinnen vor den Laden
trat, Tüten mit Obst und Gemüse füllte, freundlich bediente, sich mit den
Frauen unterhielt, die seit Jahren bei ihr kauften.
    Uckmann wußte mehr über Kommissar Glockner,
als er Sophia gesagt hatte. Er wußte auch von dessen Familie, hatte aber weder
ihn noch Frau oder Tochter gesehen.
    Das ist also die Frau, dachte er. Sehr
hübsch! Sehr charmant! Wird eine jugendliche Witwe. Und die Tochter dann
Halbwaise. Aber das ist nicht mein Bier.
    Er wartete, bis nur eine Kundin im
Laden war. Dann ging er hinüber. Und der Zufall begünstigte ihn — in geradezu
ungehöriger Weise.
    Vor dem Laden betrachtete er die
Auslagen, als könne
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