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Die Entführung in der Mondscheingasse

Die Entführung in der Mondscheingasse

Titel: Die Entführung in der Mondscheingasse
Autoren: Stefan Wolf
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er sich nicht entscheiden, ob er Tomaten, Orangen, Kiwis
oder Suppengrün nehmen solle.
    Durch die geöffnete Tür vernahm er, was
Margot Glockner mit der Kundin redete.

    „...habe ich doch vorhin das Foto in
der Zeitung gesehen, Frau Glockner. Entzückend. Ihre Tochter mit ihren drei
Freunden und dem Bürgermeister Spendenfreund. Da sind die vier sicherlich
stolz. Auch Ihr Mann gehöre zu den Lebensrettern, steht im Text. Aber er ist
nicht auf dem Bild.“
    „Mein Mann konnte an der Ehrung nicht
teilnehmen, Frau Lorenzen. Er hatte Dienst. Aber er kann die Einladung
wahrnehmen, worüber ich mich sehr freue. Er macht soviele Überstunden, als wäre
er in der freien Wirtschaft tätig und nicht als Kommissar bei der Kripo. Das
Wochenende in Tirol wird ihm guttun. Zwei Tage Entspannung. Ich kann wegen
Melanie leider nicht mit. Aber die TKKG-Bande ist natürlich dabei. Sie und mein
Mann sind vom Vater des geretteten Jungen eingeladen.“
    „Das finde ich ja großartig!“ rief Frau
Lorenzen. „Nach Tirol? Vorletztes Jahr - nein, vor drei Jahren - waren wir in...
wohin geht denn die Reise?“
    „Der Vater vom kleinen Otto Zinke-Schollau
hat ein Hotel im Enge-Tal. Den Tyroler Hof.“
    „Kenne ich. Wirklich, dort waren wir.
Nachmittags zum Kaffee. Ist entzückend dort. Also herrlich. Allerdings sehr
einsam. Das Enge-Tal, wissen Sie, ist eine Sackgasse. Nur in Richtung Enge, dem
Ort, meine ich, ist es offen. Am Ende des Tals, wo es nicht mehr weitergeht,
ist der Tyroler Hof.“
    Die Registrierkasse klingelte. Frau
Lorenzen wurde verabschiedet und verließ dann, bepackt mit Korb und
Einkaufstasche, den Laden.
    Uckmann trat ein.
    Margot Glockner machte sich hinter der
kleinen Salat-Theke zu schaffen, blickte auf und erwiderte seinen Gruß.
    Aus der Nähe sah er, wie attraktiv sie
war: blond, blauäugig, mit einem aparten Gesicht, in dem die dunklen Wimpern
Natur waren.
    Er kaufte eine Dose Kaffee, ein halbes
Pfund Dauerwurst, ein ofenfrisches Brot, bezahlte und hatte kein Wort zuviel
geredet, als er den Laden verließ. Schnellen Schrittes ging er seinen Weg
zurück.
    Margot Glockner blickte ihm nach.
    Der war noch nie bei mir, dachte sie.
    Zufällige Kunden gehörten zu den
Ausnahmen. Die meisten kamen aus der Nachbarschaft, wohnten zumindest im
Altstadtviertel. Sie kannte jeden mit Namen und die halbe oder ganze Lebens-
und Familiengeschichte, was Vertrautheit schafft und heutzutage selten ist.
    War an dem Mann was Ungewöhnliches?
Gabys Mutter fragte sich, wieso ihr der Fremde Angst einflößte. Mehr noch: Sie
hatte gefröstelt. Dieses Empfinden wich erst, als der Mann um die Ecke
verschwand.
    Margot Glockner wäre in Panik geraten,
hätte sie gewußt, daß Uckmann sich im nächsten Reisebüro alle Informationen (Auskünfte) verschaffte, die er kriegen konnte: über das Enge-Tal und den Tyroler Hof.

3. Breitgesicht spuckt
     
    Am späten Nachmittag des Freitags
erreichten sie Enge, einen winzigen Ort am Fuße eines Bergriesen, der
mindestens 3000 Meter in den Tiroler Himmel hinaufwuchs. Auf dem Gipfel lag
Schnee, den die untergehende Sonne beglänzte.
    Sie waren seit Stunden gefahren. Aber
niemand spürte Müdigkeit. Erwartung lag auf allen Gesichtern. Bei Klößchen lag
sie auch im Magen. Um das hohle Gefühl zu bekämpfen, hatte er während der Fahrt
drei Tafeln Schokolade verputzt. Jetzt freute er sich aufs Abendessen, das, wie
er hoffte, ein Verwöhnungsmahl sein würde.
    Kommissar Glockner fuhr zügig, ließ
aber keine Vorsicht außer acht. Gaby saß neben ihm, angegurtet — selbstverständlich.
Die Jungs teilten sich den Fond (Rücksitze) des BMW.
    Tarzan saß zwischen seinen Freunden und
spähte nach vorn. Er entdeckte das Schild. ENGE-TAL — TYROLER HOF — 12
Kilometer. Also waren sie kurz vor dem Ziel.
    Es war ein tiefeingeschnittenes Tal,
gesäumt von schwindel-erregenden Bergwänden. Tiefblauer Himmel spannte sich von
Gipfel zu Gipfel. Aber im Tal brach bereits die Dämmerung an. Schilder warnten
vor Wildwechseln. Kommissar Glockner schaltete die Scheinwerfer ein.
    Die Straße war schmal. Sie führte auf
ein Nadelöhr zu. An dieser Stelle rückten die Bergwände bedrohlich dicht
aufeinander zu. Gerade daß die Straße durchpaßte — und das Flüßchen daneben.
    „Notfalls könnte man hier zumauern“,
meinte Karl. „Dann wäre das Enge-Tal abgeschnitten von der Welt. Ich habe mich
genau erkundigt. Es gibt nur diesen einen Zugang. Einmal im Winter hatte eine
Lawine ihn zugeschüttet. Da müssen sich
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