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Die Entfuehrung der Wochentage

Die Entfuehrung der Wochentage

Titel: Die Entfuehrung der Wochentage
Autoren: Lena Kleine
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sich ebenfalls auf dem Marmor ab und blickte auf die See hinaus.
    »Du darfst ihm nicht wehtun, ich flehe dich an.«
    »Warum?« Er fragte es ohne Ärger in der Stimme, aber gerade die Monotonie sprach für eine innerliche Wut, die in ihm toben musste. Sie kannte ihn inzwischen so gut, dass sie seine Gelassenheit richtig deuten konnte.
    »Ich wäre geflohen, wenn er mitgekommen wäre, aber er wollte bei dir bleiben. Er meinte, er würde dir gehören. «
    »Hm«, brummte Darkson und intensivierte seinen Blick in die Ferne.
    »Er gehört dir mit Leib und Seele. Er ist kein Verräter, sondern wahrscheinlich der einzige Freund, den du unter den Sklaven hast. Tust du ihm weh, schadest du dir nur selber.«
    Er ruckte herum, jetzt taxierte seine Augen ihr Gesicht und ihr wurde unter dem brennenden Blick ganz bang. Hatte sie zu viel gesagt? Hatte sie ihr eigenes Unheil heraufbeschworen?
    »Sonntag, ich glaube, es ist besser, wenn du jetzt ins Mädchenhaus gehst.«
    Wahrscheinlich hatte er Recht, aber die Ungewissheit, was mit Tristan passiert war, ließ ihr keine Ruhe. Sie wollte nicht gehen, ehe sie erfahren hatte, was dem jungen Sklaven widerfahren war, aber Tom hatte schon seine Wachen per Funk benachrichtigt und ließ sie, wie er es so schön genannt hatte, entfernen .
    Man brachte sie in ihr Zimmer und legte ihr einen neuen Armreif um.
    Kaum waren die Männer verschwunden, ging Sofia in den Innenhof des Gebäudes. Sie ertrug die Enge des Raums, besonders seit der Dunkelkammer, nicht mehr. Sie brauchte Geräusche, die Luft und das Licht.
    Sie stellte sich in die Mitte des Lichtkegels und atmete ein und aus.
    Ein Geräusch ließ sie herumfahren. Samir war hinter ihr aufgetaucht und kam jetzt mit ausgreifenden Schritten auf sie zu.
    »Sonntag«, murmelte er leise. »Du bist wieder hier.« In seiner Aussage lag eine Art Ernüchterung.
    »Enttäuscht, mich lebend zu sehen? Hast wohl erwartet, dass er mich umbringt«, knurrte sie und drängte sich instinktiv weiter in die Ecke.
    »Nein«, sagte er wieder in diesem flüsternden Tonfall. »Aber ich hatte gehofft, dass er dich weggibt. Du bringst Unruhe ins Haus.«
    »Tjaaaa«, entgegnete sie langgezogen. »Ihr könnt mich ja auch wieder nach Hause bringen. Ich hätte sicherlich nichts dagegen. Dann ist jeder zufrieden.«
    Samirs Mundwinkel zuckten, aber er ging nicht auf ihre Frechheit ein, sondern reichte ihr einen Stapel Papiere. »Hier, du hast einiges an Vokalen nachzuholen, da du viel versäumt hast. Morgen ist wieder Unterricht, ich denke, das wird dich den Rest des Tages beschäftigen.«
    Verdattert nahm sie die Blätter entgegen. »Aber das ist unfair.« Das war das einzige, was ihr dazu einfiel.
    »Sicher, ich bin auch ein ungerechter Mann, also sieh zu, dass du mich morgen zufrieden stellst. Ich bin nicht gut auf dich zu sprechen, du kannst dir also sicher sein, dass ich morgen nur auf einen Fehler von dir warten werde.«
    Mit großen Augen hatte sie seinen Worten gelauscht und riskierte einen Blick auf den Stapel. Unmöglich, alle Wörter lernen zu können.
    Sie sog die Unterlippe ein und biss darauf herum. Diese Welt bestand aus Ungerechtigkeiten, wann lernte sie es endlich?!
    Als der Arzt im Begriff war, sich abzuwenden und zu gehen, hechtete sie nach vorne, ließ die Blätter auf den Boden fallen und hielt ihn am Ärmel fest.
    Er sah zuerst eisig auf die Papiere, die achtlos auf der Erde lagen, dann auf sie hinab.
    »Tristan, wie geht es ihm?«, fragte sie mit bebender Stimme.
    Der große Mann runzelte seine Stirn und befreite sich mit einem Ruck aus ihrem Griff. »Ich bin einer Sklavin keine Antwort schuldig.«
    Sofia sank auf die Knie. »Ich bitte dich«, hauchte sie, »inständig, es mir zu sagen.«
    Seine Antwort fiel knapp aus. »Lern die Vokabeln.«
    Dann knirschten seine Schritte über den Sand und Sofia blieb alleine auf dem Boden sitzend zurück. Regungslos. Trostlos.
    Erst als Samstag neben sie trat und ihre Hand sachte auf ihrer Schulter ablegte, rührte sie sich und sah zu der edlen Gestalt hinauf, die im Gegenlicht der Sonne strahlend schön aussah.
    »Komm, Kleines«, murmelte sie. »Du holst dir einen Sonnenstich.«
    Betäubt und widerstandlos ließ sie sich hochziehen und in den Schatten bugsieren. Nur am Rande nahm sie wahr, wie auch Dienstag auftauchte und die Lernunterlagen einsammelte, sie sortierte und sie schließlich auf dem Gartentisch ablegte.
    »Er hat Tristan wehgetan«, brach es plötzlich aus Sofia heraus und sie warf sich in Samstags
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