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Die Entfuehrung der Wochentage

Die Entfuehrung der Wochentage

Titel: Die Entfuehrung der Wochentage
Autoren: Lena Kleine
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Arme. Die ältere Frau hielt sie beschützend fest und wiegte sie beruhigend hin und her. »Ist ja gut, Sonntag, ihm wird nichts passieren.« Die Unsicherheit in ihrer Stimme strafte sie der Lüge, aber Sofia klammerte sich hoffnungsvoll an diesen Satz.
    »Meinst du?«
    Samstag ließ sie vorsichtig los und nickte. »Ja.« Dann machte sie eine Kopfbewegung zu den Blättern und Dienstag hin. »Aber jetzt sollten wir dir schnellstmöglich die Vokabeln beibringen, wenn das morgen kein Fiasko werden soll. Wir haben gehört, was Samir zu dir gesagt hat, wenn du seinen Zorn nicht spüren willst, sollten wir jetzt beginnen. Wir helfen dir!«
    Dankbar lächelte Sofia den Frauen zu, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren und sie mit ihrer Wärme auffingen und davor bewahrten, ins Bodenlose zu stürzen.
    »Konzentriere dich«, befahl Samstag, als Sofia mit ihren Gedanken abdriftete und ihre Auffassungsgabe gegen Mitternacht ihren Tiefstand erreichte.
    Müde und mit einem Brummschädel versuchte sie, dem Wochentag zu lauschen, aber es gelang ihr nicht. Ihre Konzentration war nach etlichen Stunden des Paukens hinüber.
    »Ich kann nicht mehr«, quengelte Sonntag und deutete ein Gähnen an.
    »Denk an die Strafe, die dich erwartet, das hält munter«, ermahnte sie die Älter e und hob dabei ihren Zeigefinger. Sofia kicherte, trotz der bleiernen Müdigkeit, amüsiert über den Anblick der Frau auf. Sie verkörperte mit ihrem nach oben gestrecktem Zeigefinger und dem streng nach hinten gebundenen Haar tatsächlich das klassische Bild einer Lehrerin.
    »Was erheitert dich denn so?« Samstag wirkte leicht genervt, aber auch verunsichert.
    »Nichts, nichts, du siehst nur aus wie eine Oberschulrätin«, grinste Sofia und stütz te ihren Kopf ab.
    »Haha«, kommentierte die Frau ihren Satz trocken und tippte energisch auf die Blätter, die vor ihnen ausgebreitet lagen.» Jetzt hör auf , herumzualbern, und sag mir die Wörter auf, die wir gerade gelernt haben.« Sofia seufzte innerlich tief auf. Samstag sah nicht nur aus wie eine Lehrerin, sie benahm sich auch so. Mit einem Murren wendete Sofia sich wieder den endlosen Wortreihen und Sätzen zu, die kein Ende nehmen wollten. Die Fülle an Wörtern machte deutlich, dass Samir es definitiv eingeplant hatte, sie morgen zu bestrafen.
    »Ich finde das so ungerecht«, nölte So nntag, die inzwischen völlig übermüdet und geschafft war. Woher Samstag die Energie nahm, war ihr schleierhaft, aber wahrscheinlich musste man schon ein paar Bestrafungen miterlebt haben, um zu wissen, was auf dem Spiel stand.
    Sie erinnerte sich auch noch gut daran, wie der Arzt sie im Klassenzimmer gedemütigt hatte, aber damals war es nur eine kleine Mahnung gewesen, jetzt hingegen war er zornig auf sie und suchte nur nach einem Grund für ihre Züchtigung. Sie vermutete, dass man ihr die Schuld an Tristans Verrat gab, was sie als weitere Ungerechtigkeit empfand. Schließlich hatte sie nicht die Zimmertür aufgesperrt, sondern er! Und wenn der verdammte Idiot mitgekommen wäre, würde sie jetzt nicht hier sitzen und sich auch noch Gedanken um sein Wohlergehen machen.
    Ihre Stimmung wurde plötzlich melancholisch. Wie mochte es dem Sklaven gehen?
    »Sonntag«, keifte es plötzlich neben ihrem Ohr, »träumst du schon wieder?!«
    Schuldbewusst blinzelte Sofia Samstag an und lenkte ihre Konzentration auf die Vokabeln, die noch aus etlichen Seiten bestanden. Das würde eine lange, aber dennoch kurze Nacht werden.
    Und sie behielt Recht. Erst als der Morgen graute und die kleinen Lampions erloschen, lehnte sich Samstag zurück und klappte die Bücher zu. »Hören wir auf, und hoffen das Beste. Wir sollten jetzt noch die drei Stunden schlafen, bevor der Unterricht beginnt.«
    Sonntag konnte lediglich erschöpft nicken, stand auf und schleppte sich in ihr weiches, kühles und himmlisches Bett.
    Sie vergrub ihr Gesicht in dem Kopfkissen. Schlafen, was für ein Luxus. Aber das Privileg der Ruhe war von kurzer Dauer, denn bereits um neun Uhr stand Samir im Türrahmen und holte sie zum Unterricht ab. Mit tiefen Augenringen und einer bärbeißigen Laune wollte sie sich zu ihrem Platz begeben, aber der Arzt hielt sie grob zurück.
    »Du kannst gleich hier bleiben«, meinte er und klopfte auf das Lehrerpult.
    Finster schaute sie ihn an, gehorchte aber.
    »Beine gespreizt, sodass jeder deine Löcher sehen kann«, wies er sie scharf zurecht, als sie sich mit überschlagenen Beinen auf die Tischkante gesetzt hatte.
    Jetzt wurde
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