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Die Entfuehrung der Wochentage

Die Entfuehrung der Wochentage

Titel: Die Entfuehrung der Wochentage
Autoren: Lena Kleine
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den Stuhl zu recht. Verdutzt sank sie auf das morsche Holz und er schob sie samt Sessel an den Tisch heran. »Möchtest du etwas essen?«
    »Essen?«, wiederholte Sofia ungläubig. Mein Gott, sie saß entblößt und unter Drogeneinfluss an einem Tisch, in einem Haus, das sie nicht kannte, und er frage sie, ob sie hungrig war?
    »Ähm«, erwiderte sie ihrem Entführer zögerlich und versuchte, die richtige Antwort zu erahnen. »Bist du denn auch hungrig?«
    Seine Fingerspitzen trommelten auf dem abgenutzten Holztisch. »Es ist nicht höflich, eine Frage mit einer Gegenfrage zu beantworten.«
    »Danke. Nein. Ich will nichts.« Sie musste sich zwingen, freundlich zu bleiben. Schließlich wollte sie ihn nicht verärgern.
    Als sie sein Stirnrunzeln förmlich unter der Maske sehen konnte, fügte sie eilig hinzu: »Aber ich hätte gern etwas Wasser.«
    »Hat dir das Wasser vorher nicht gereicht?«, brummte er, schob ihr aber ein Wasserglas hin, das bereits auf der Tischplatte gestanden hatte.
    »Danke«, murmelte Sofia und trank das Glas leer. Tatsächlich war ihre Kehle immer noch trocken, nachdem sie das Glas geleert hatte.
    Seine Hand griff nach dem leeren Glas. »Möchtest du mehr?«
    Er stand immer noch neben ihr und musterte sie auf eine Art und Weise, die sie unruhig machte. Die Maske wirkte plötzlich gar nicht mehr so lächerlich, wie sie anfangs angenommen hatte.
    »Ja, bitte.«
    »Du lernst schnell«, lobte er sie. »Höffliche Mädchen mag ich gerne.«
    Seine Worte klangen in ihren Ohren wie eine Drohung und sie senkte schnell ihren Kopf.
    Sie hörte seine Schritte. Er entfernte sich. Unsicher warf sie ihm einen flüchtigen Blick zu. Er war in der angrenzenden Küche verschwunden. Fieberhaft rechnete sie sich die Chancen einer Flucht aus, aber sie schätzte den Erfolg als zu gering ein. Ehe sie aufgesprungen und den Ausgang gefunden hätte, wäre er schon längst bei ihr und sie konnte bei einem Auftragsmörder nicht auf Gnade hoffen.
    Er kam zurück. Anerkennung lag in seinen stechenden Augen, die hinter der Maske hervorblitzten. »Viele lassen so eine Gelegenheit nicht verstreichen.«
    Sie stellte sich dumm. »Was verstreichen?«
    »Schon gut«, kommentierte er ihren Versuch, naiv und harmlos zu wirken, und stellte das Glas vor ihr ab.
    Zu ihrer Enttäuschung war es nicht pures Wasser, sondern irgendeine Schorle. Als sie prüfend daran schnupperte, stieg ihr der Geruch von Mango entgegen. Sie konnte den Geschmack dieser Frucht nicht ausstehen. Aber es war bestimmt nicht die beste Idee, dem Entführer schlechten Geschmack vorzuwerfen. So zwang sie das eklige Zeug hinunter und lächelte dabei tapfer.
    Endlich hatte sie das Glas soweit ausgetrunken, dass es nicht mehr unhöflich war, den Rest stehenzulassen.
    »Möchtest du doch noch was essen? Letzte Chance.«
    Ihr Blick wanderte zum Fenster. Vielleicht war dies wirklich eine Chance. Wenn er in der Küche hantierte, ergab sich vielleicht die Möglichkeit zur Flucht. Der Ausgang war nicht zu sehen, aber das Fenster war in verlockender Reichweite. Sie gab sich einen Ruck und schenkte ihm ein Lächeln. »Ja doch, bitte.«
    »Obst?«
    Sie klimperte mit ihren Wimpern. »Ja, sehr gerne.«
    »Gut, rühr dich nicht von der Stelle, ich bring dir etwas zu essen.«
    Batman begab sich in die Küche und sie sprang auf. Der Stuhl quietschte über den Holzboden. Sie musste nicht mehr leise sein, denn die schweren Schritte hinter ihr folgten ihr dicht. Er war schneller bei ihr, als sie das Fenster erreichen konnte.
    Eine Hand packte sie hart am Genick und schleuderte sie gegen die Wand. Atemlos prallte sie gegen die raue Steinwand und hob schützend ihre Hände. Ängstlich wartete sie auf einen Schlag, aber nichts dergleichen geschah. Behutsam senkte sie ihre Arme und riskierte einen zaghaften Blick zu ihm hin. Sie konnte eine Spur aus Belustigung und Ärger in seinen hellen Augen lesen. Sie war sich noch nicht ganz sicher, welche Emotion bei dem Mann überwog. Sie hoffte auf ersteres.
    »Was hast du an meinem Befehl nicht verstanden?«, grollte er erzürnt, was ihn aber nicht davon abhielt, weiterhin eigentümlich zu grinsen. Ihr gescheiterter Fluchtversuch schien ihn zu amüsieren. Das erzeugte bei Sofia ein Gefühl von Zorn, der in absurden Trotz endete.
    »Ach so, das war ein Befehl? Es klang eher wie eine Option«, zischte sie bockig.
    Ungläubiges Schweigen trat an. Nach einer Ewigkeit der Stille fragte er sehr sanft: »Du wirst mich doch nicht ärgern wollen,
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