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Die Entdeckung des Himmels

Die Entdeckung des Himmels

Titel: Die Entdeckung des Himmels
Autoren: Harry Mulisch
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nicht in den Niederlanden.«
    »Dein wievielter Cola-Rum ist das, Onno?«
    »Dieses Getränk«, sagte Onno und hob sein Glas, »nennen wir in Amsterdam nicht Cola-Rum. In Amsterdam heißt das Cuba-Libre , aber das werdet ihr in den Niederlanden auch noch merken. Deshalb bringe ich jetzt einen Toast aus auf el líder máximo. Patria o muerte – venceremos !« In einem Zug trank er sein Glas aus.
    »Es lebe Che Guevara!« rief ein Junge.
    »Sag mal, Maarten, bist du verrückt geworden?«
    »Jetzt kommt alles raus!«
    »Hütet euch vor ihm! Er wird kurzen Prozeß machen mit euch und euren schrecklichen Niederlanden. Bald hat Coba hier das Sagen, und dann ist es der Ex-Kommissar der Ex-Königin, der Kerzen holen muß bei den Nachbarn, die dann auch nicht mehr Van Pallandt heißen werden, sondern was weiß ich – Gortzak, oder irgendein anderer ehrlicher Name aus der Arbeiterklasse. Ihr seid die Niederlande. Ohne die Quists gäbe es die Niederlande überhaupt nicht. Was für ein Segen wäre das für die Menschheit.«
    »Onno –«
    »Ignorieren. Einfach ignorieren, dann hört er von ganz allein auf.«
    »Du bist allerdings auch ein Quist, oder?«
    »Ich? Ich , ein Quist? Was für eine unverzeihliche Beleidigung. Ich bin ein Bastard«, sagte er feierlich, »ein Kuckucksjunges – das bin ich, und nichts anderes.«
    »Hol’s der Kuckuck«, sagte eine seiner Tanten am Tisch mit der Taschenlampe, die immer schwächer wurde.
    »Und wer war dieser Kuckuck?« fragte seine älteste Schwester.
    »Das werden Mutter und ich nie verraten. Nie! Stimmt’s, Mutter? Das haben wir geschworen.«
    »Was haben wir geschworen?«
    »Ja, jetzt stellen Sie sich dumm. Erinnern Sie sich nicht an diesen bildschönen Prinzen aus dem fernen Land, der auf einem weißen Roß in die Niederlande kam?«
    »Wovon redet er eigentlich?«
    »Wenn ihr mich fragt, ist diese Person nicht mehr ganz compos mentis. «
    Onno legte seine Hand aufs Herz.
    »Vom siebenten Gebot, die Dame.«
    »Hatte dieser Prinz vielleicht einen schwarzen Bart?« fragte sein anderer Bruder, der Dozent für Strafrecht in Groningen war. »Hatte er vielleicht eine grüne Uniform an und eine Pistole bei sich?«
    Onno stockte, stellte sein Glas hin, legte beide Hände an die Wand und schüttelte sich vor Lachen.
    »Das gefällt ihm, dem Sprücheklopfer.«
    »Mutter!« rief Onno mit erstickter Stimme. »Sie wissen es!
    Es ist herausgekommen!«
    »Was ist herausgekommen?«
    »Daß Sie Vater betrogen haben mit Fidel Castro.«
    »Ich soll Vater betrogen haben? Wie kommst du darauf? Ich kenne diesen Mann gar nicht.«
    »Ein Witz, haha, ein Witz!«
    »Merkwürdige Witze werden hier gerissen. Ich habe Vater nie betrogen.« – »Mich haben Sie betrogen!« rief Onno, richtete sich auf und hob den Zeigefinger wie ein Prophet. »Mit Vater! Indem ihr mich gezeugt habt!«
    In diesem Augenblick tauchte die jüngste Schwester vor ihm auf, zwei Köpfe kleiner als er, und nahm seine Hand. Wie ein gutmütiger Zirkusbär ließ er sich zur Seite nehmen.
    »Jetzt muß aber wirklich Schluß sein, Onno«, sagte sie leise.
    »Es gibt Grenzen.«
    »Von wem hast du das denn?«
    »Mir soll’s ja recht sein, ich vertrage eins in die Rippen, aber du bringst Mutter in Verlegenheit. Sie kann deinem merkwürdigen Humor nicht folgen.«
    »Merkwürdiger Humor?« wiederholte er. »Es ist mir Ernst damit. Versteht das denn keiner? Nicht mal du? Wenn nicht einmal du mich verstehst, wer versteht mich denn dann? Oh je, wo ist der, der mich versteht!«
    »Hör doch auf, du provozierst einfach, und das macht dir Spaß.«
    »Natürlich macht es mir Spaß, aber es ist mir auch Ernst damit. Ich meine auch ernst, was ich nicht ernst meine.«
    »Ja, du kannst mir viel erzählen.«
    »Nein, ich kann dir eben nicht viel erzählen. Wenn ich im Sterben liege, werde ich auf Knien zu dir kriechen, aber du verstehst ja auch nichts. Keiner versteht mich!« rief er pathetisch und plötzlich wieder in voller Lautstärke.
    »So ist es«, sagte der Mann seiner ältesten Schwester. »Und deshalb solltest du schnell wieder zurückkehren zu deinen Kryptogrammen, dann werden wir hier in den Niederlanden schon dafür sorgen, daß du ruhig weiterpuzzeln kannst.«
    Onno legte die Hand hinter sein Ohr.
    »Höre ich da einen schrillen Ton? Kommt das vielleicht daher, daß niemand glauben will, daß ein gewisser mickriger Oberstaatsanwalt aus der Provinz der Schwager des großen, unvergeßlichen, weltberühmten Onno Quist ist?«
    Während er sich mit
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