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Die Engelsmuehle

Die Engelsmuehle

Titel: Die Engelsmuehle
Autoren: Andreas Gruber
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als Versicherungsdetektiv arbeitest.« Kurt wurde unruhig. »Ostrovsky sagte, er habe ein Videoband in seinem Haus versteckt und ich müsse es unbedingt finden.«
    »Warum hat er dir das Video nicht in einem Paket geschickt?«
    »Ich weiß es nicht. Seine Stimme klang ziemlich gehetzt.«
    »Was soll ich tun?«, fragte Hogart. »Soll ich dir den Mann ans Telefon zaubern?«
    »Du könntest zu ihm fahren, um nach dem Rechten zu sehen«, schlug Kurt vor.
    »Du warst doch schon dort!«
    »Ja, gestern.«
    Hogart sah auf die Uhr, dann betrachtete er die halb eingeräumten Pappkartons. »In einer Stunde. Wo wohnt er?«
    »Draußen in Döbling, in der Waldorfgasse.«
    Hogart stand auf. In Döbling lag eine Villa neben der anderen. »Du sagtest, er war dein Mentor an der Uni. Ist er mittlerweile pensioniert und hat eine Haushälterin?«
    »Bestimmt sogar. Wie kommst du darauf?«
    Hogart dachte an den Fünfundsiebziger. »Seine Haushälterin hat gegen elf Uhr vormittags seine Leiche entdeckt.«
    »Hast du das aus den Nachrichten? So alt und krank war er noch gar nicht.«
    »Er wurde ermordet!«, korrigierte Hogart ihn.
    Vom anderen Ende der Telefonverbindung war kein Ton zu hören. »Oh«, sagte Kurt schließlich. »Dann hat sich die Sache mit dem Video erübrigt.«
    »Warum?«
    »Weil es bestimmt nicht mehr im Haus ist.«
    »Kommt darauf an, wo er es versteckt hat«, sagte Hogart.
    »Heißt das, du willst trotzdem hinfahren?«
    Hogart dachte nach. »Im Moment wimmelt es dort von Kripobeamten, der Gerichtsmedizin und der Spurensicherung … besser wir fahren morgen früh gemeinsam hin.«
    »Wir?« Kurt klang nicht gerade begeistert. »Was bringt das?«
    »Ich kenne die ermittelnden Beamten.«
    »Dann ist die Sache ja geritzt.«
    Hogart dachte an Eichinger. »Sei dir mal nicht so sicher.«

1
     
    Gegen neun Uhr morgens beruhigte sich der Stoßverkehr in Wien allmählich. Hogart fuhr mit seinem Skoda in die Innenstadt, wo er seinen Bruder vor dessen Praxis abholte. Das Eckhaus mit dem Innenhof lag direkt am Rudolfspark. Kurt wartete bereits vor der breiten Glasfront seiner Praxis. Er trug Sandalen, Bermudashorts und ein aufgeknöpftes weißes Hemd. Die behaarte Brust wurde von einer Kette mit einem Yin-Yang-Symbol verziert. Im Gegensatz zu anderen Ärzten schwamm Kurt als Ganzheitsmediziner und Chiropraktiker mit eigener Praxis voll und ganz auf der Esoterikwelle. Sowohl seine Behandlungsräume als auch die zweistöckige Wohnung in den beiden unteren Etagen des Eckhauses wirkten innen wie Teile eines buddhistischen Tempels. Hogart hingegen gingen Heilsteine und Feng Shui am Arsch vorbei.
    Als Kurt in Hogarts Wagen einstieg, roch es plötzlich nach Massageöl und Räucherstäbchen.
    »Hast du dich für unsere Freunde bei der Kripo fein gemacht?«, fragte Hogart, der selbst Jeans, ein Sakko und darunter ein schwarzes Poloshirt trug.
    »Ich hatte gerade mal Zeit genug, meine nächsten beiden Termine abzusagen«, schnaubte Kurt. »Kannst du die Klimaanlage runterdrehen?«
    Hogart drosselte sie ein wenig. Dann legte er seinem Bruder die Morgenausgabe der Zeitung in den Schoß. Der Brand in der Gebietskrankenkasse war vom Mord an Primär Abel Ostrovsky in den Innenteil verdrängt worden. Das Foto auf der Titelseite zeigte einen älteren Herrn mit grauem Haarkranz, buschigen Augenbrauen und einem dichten Oberlippenbart. Die Stirnfalten, das Schmunzeln und die wachen, listigen Augen ließen Abel Ostrovsky wie einen netten Großvater erscheinen. In breiten Lettern stand darüber, dass der pensionierte Arzt am Freitagabend brutal in seinem Haus verstümmelt und anschließend ermordet worden war. Wie immer war unklar, woher die Presse diese Informationen bezog, doch Hogart wusste, dass Garek nicht der Einzige bei der Kripo war, der sich ein paar Extra-Euros dazuverdiente.
    Während Hogart an den westlichen Rand Wiens, nach Döbling, fuhr, erzählte ihm Kurt alles, was er über seinen ehemaligen Dozenten an der Uni wusste - doch das war kaum mehr, als in der Zeitung stand. Bis zu seiner Pensionierung vor acht Jahren war Ostrovsky als Neurochirurg und Rückenmarkspezialist Primär im Kaiserin-Elisabeth-Spital gewesen. Nach dem Krebstod seiner Frau hatte er sich in seine Villa zurückgezogen und nach und nach die Kontakte zur Außenwelt abgebrochen. Kurt erinnerte sich, dass Ostrovsky lediglich eine Funktion in der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft übernommen hatte, die ihm hin und wieder einen kurzen Auftritt in den lokalen Medien
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