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Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Die Engel warten nicht: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Dirk van Versendaal
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einen Zettel, handgeschrieben die Nachricht. Eier. Milch. Fisch. Kartoffeln. Wäsche aufhängen. Myrbäck stöhnte gedämpft.
    Maria war eine bemerkenswert präzise Frau. Sie wusste, was sie wollte. Und sie handelte.
    Die gemeinsame Altbauwohnung, dreieinhalb Zimmer, neunzig Quadrat, war von ihr zu einem aktuellen Abbild der Beziehung gestaltet worden. Ein Wohnzimmer gab es da nicht mehr, auch keine gemeinsame Schlafstätte; gespeist wurde in der Küche, und gemeinsam nur selten. Die Myrbäck-Wöllners übernachteten einer getrennt vom anderen, hinter jeder Türschwelle drohten territoriale Konflikte. Einzig Ed bewegte sich frei zwischen den Welten seiner Eltern.
    Die Arme voller Weißwäsche humpelte Myrbäck durch die Wohnung. Die feuchten Laken und Handtücher lagen kühl auf seiner Brust. Kurz bildete er sich ein, sie seien imstande, seinen Knochen die Schmerzen zu entziehen. Er entfaltete das Trockengestell vor der offenen Balkontüre und begann, die Wäsche über das Gestänge zu verteilen.
    Der Anfang vom Ende ihrer Beziehung war ein kurioser Unglücksfall gewesen.
    Ein Sonntagnachmittag Ende Juli, Vater und Sohn wässerten im Hinterhof den Pfeilbambus und die durstigen Jungbirken. Bei ihren Wegen vorbei an Töpfen und Kübeln verdrehte sich der Schlauch, bis er seinen Wasserfluss schließlich blockierte. Während Myrbäck sich an die Entknotung machte, schüttelte sein Sohn sich ein letztes Rinnsal kühler Tropfen in den Kindermund. Der Druck, mit dem das Wasser durch den plötzlich von seinen Verknotungen befreiten Schlauch schoss, spülte mit einem Schwall die Zahnspange aus der Mundhöhle des Jungen und schwemmte sie durch das Gitter eines Gullys. Vater und Sohn stürzten zum Ablaufschacht. Scheußlich roch es dort, doch was sie im Halbdämmer des Sinkkastens sahen, machte Hoffnung: Kurz vor ihrem Absturz in Fallrohr und Kanalisation hatte die Spange Rast auf einem Absatz gemacht.
    Myrbäck machte sich mit Drähten und Magnetstange zu schaffen, er versuchte es mit allem, was die erstklassige Ausstattung seiner Sporttasche hergab. Doch Autotüren waren eine Sache, gusseiserne Kanaldeckel eine andere. Er kapitulierte. Ed schien gleichgültig, sogar froh, er hatte seine leicht vorstehenden Schneidezähne nie als Makel empfunden. Anders Maria, die auf einmal vor ihnen stand. Sie bog einen Kleiderbügel für ihre Zwecke zurecht, ging in die Knie, angelte die Spange aus Zwielicht und stinkenden Tiefen herauf und schritt wortlos vom Hof. Ein Triumphmarsch.
    Gegen die Vehemenz, mit der sie ihn seit jenem Tag verachtete, war er machtlos. So ergeht es Leuten, die enttäuschen, dachte er. Die nicht mehr für das bewundert werden, wofür man sie einst bewundert hat. Weil sie stehen geblieben sind in ihrer Entwicklung und am Ende nur zum Aufhängen der Bettwäsche noch taugen.
    Im Badezimmer ließ er heißes Wasser in die Wanne ein. Als es Knöchelhöhe erreichte, versenkte er seinen Laptop. Win zige Blasen stiegen auf. Er gab einen Schuss Chlorbleiche hinzu, das versetzte den Platinen der Festplatte den Rest. Alle elektronischen Spuren löschen, das war Regel Nummer eins ihres Berufs.
    Myrbäck und Holzapfel hatten sich auf die Mittelschicht spezialisiert. Toyota, Volkswagen, Volvo, hin und wieder ein Mercedes. Dutzendware, für die einmal ein Sicherheitssystem entwickelt, installiert und die dann sich selbst überlassen wurde, weil längst neue Modelle aufliefen. Welcher Versicherungsheini schlug Alarm wegen eines gestohlenen Passat? Der Wagen dagegen, den er in der Nacht aufgebrochen hatte, war von Interesse für Polizei und Versicherung. Ein Audi Q7 brachte im regulären Handel mindestens sechzigtausend Euro, für dreißigtausend würde er jetzt vermutlich in den Export gehen. Blieben sechstausend für Holzapfel und ihn, das war ordentlich Geld für einen Abend im Kino. Dafür nahm er ein paar Hämatome in Kauf.
    Ächzend ließ er sich auf dem Teppich im Flur nieder. Widerwillig ergab er sich in seine Gymnastikübungen.
    Myrbäck ging mit leichter Schieflage durchs Leben, seit er im Alter von sieben Jahren im Garten der Großeltern auf Torö von einem Pflaumenbaum auf das Dach des Hühnerstalls gestürzt, von dort abgerollt und noch einmal drei Meter tief zwischen pickende Hühner geprallt war. Mit dem Hintern voran. Noch heute meinte er, wenn der Schmerz unvermutet in seinen unteren Rücken fuhr, die sonnenwarme Teerpappe auf dem Dach des Hühnerstalls zu riechen.
    Der Sturz war schuld an einer Schiefstellung des
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