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Die Elite

Die Elite

Titel: Die Elite
Autoren: Kiera Cass
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Hände, die es berühren würden, waren meine.

4
    » I ch bin ein hoffnungsloser Fall!«, klagte Marlee.
    »Nein, nein, du machst das gut«, log ich.
    Seit über einer Woche gab ich ihr fast täglich Klavierunterricht, doch es waren keinerlei Fortschritte zu erkennen. Dabei übten wir nach wie vor nur Tonleitern! Wieder schlug sie eine falsche Taste an, und ich konnte ein Zusammenzucken nicht unterdrücken.
    »Siehst du?«, rief sie aus. »Ich könnte genauso gut mit den Ellenbogen Klavier spielen.«
    Ich grinste. »Wäre zumindest einen Versuch wert. Vielleicht spielst du damit präziser.«
    Marlee seufzte. »Ich geb’s auf. Es tut mir leid, America, du bist so geduldig gewesen, aber ich hasse es, mich selbst spielen zu hören. Es klingt, als wäre das Klavier krank.«
    »Eigentlich eher, als ob es im Sterben liegt.«
    Marlee brach in Lachen aus, und ich fiel mit ein. Als sie mich um Klavierunterricht bat, hatte ich keine Ahnung gehabt, welcher Qual ich meine Ohren aussetzen würde.
    »Vielleicht kommst du besser mit der Geige klar«, schlug ich vor. »Mit ihr kann man auch wunderschöne Musik machen.«
    »Ich glaube nicht. Am Ende mache ich sie am Ende noch kaputt.« Marlee stand auf und ging zu dem kleinen Tisch, wo die Unterlagen, die wir eigentlich lesen sollten, zur Seite geschoben waren und meine reizenden Zofen Tee und Kekse für uns bereitgestellt hatten.
    »Oh, nun ja, das wäre schon in Ordnung. Die hier stammt ohnehin aus dem Palast. Du könntest sie Celeste an den Kopf werfen, wenn du willst.«
    »Führ mich nicht in Versuchung«, sagte Marlee und schenkte uns beiden Tee ein. »Ich werde dich so vermissen, America. Ich weiß nicht, was ich tun werde, wenn wir nicht mehr die Möglichkeit haben, uns jeden Tag zu sehen.«
    »Tja, Maxon ist sehr unentschlossen, also musst du dir darüber noch keine Gedanken machen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte sie und wurde plötzlich ernst. »Er hat es zwar nicht so direkt gesagt, aber ich weiß, dass ich nur hier bin, weil das Volk mich mag. Und jetzt, da die meisten Mädchen aus dem Rennen sind, wird er bald umschwenken und sich eine neue Favoritin aussuchen. Dann wird er mich wegschicken.«
    Ich wählte meine Worte sorgfältig, in der Hoffnung, sie würde mir den Grund für die Kluft zwischen sich und Maxon nennen. Außerdem wollte ich vermeiden, dass sie sich mir gegenüber wieder so verschloss. »Geht es dir denn gut damit? Ich meine, damit, dass du wohl nicht Maxons Frau wirst?«
    Sie zuckte leicht mit den Schultern. »Er ist einfach nicht der Richtige. Es würde mir nicht sehr viel ausmachen, aus dem Wettbewerb auszuscheiden, aber ich möchte einfach nicht abreisen«, erklärte sie. »Außerdem will ich gar nicht mit einem Mann zusammen sein, der in eine andere Frau verliebt ist.«
    Ich richtete mich kerzengerade auf. »In wen ist er denn …?«
    Marlees Blick war triumphierend und das Lächeln, das sie hinter ihrer Teetasse verbarg, bedeutete:
Erwischt!
    Und erwischt hatte sie mich wirklich.
    Im Bruchteil einer Sekunde wurde mir klar, dass mich der Gedanke, Maxon könnte in eine andere verliebt sein, dermaßen eifersüchtig machte, dass ich es kaum aushielt. Und im nächsten Moment – als ich begriff, dass Marlee mich gemeint hatte – war ich unendlich beruhigt.
    Ich hatte Mauer um Mauer um mich errichtet, Witze auf Maxons Kosten gemacht und die Vorzüge der anderen Mädchen angepriesen – doch mit einem einzigen Satz hatte sie all das entlarvt.
    »Warum hast du das ganze Hin und Her nicht schon längst beendet, America?«, fragte sie sanft. »Du weißt doch, dass er dich liebt.«
    »Das hat er nie gesagt«, schwor ich, und es war die Wahrheit.
    »Natürlich hat er das nicht«, sagte sie, als ob das ganz klar wäre. »Aber er bemüht sich so sehr, dich für sich zu gewinnen, und jedes Mal, wenn er dir nahe kommt, stößt du ihn zurück. Warum tust du das?«
    Konnte ich es ihr sagen? Konnte ich ihr anvertrauen, dass, während meine Gefühle für Maxon wuchsen und tiefer wurden, als mir offenbar selbst bewusst war, es noch jemand anderen gab, von dem ich mich nicht lösen konnte?
    »Ich bin mir einfach … nicht sicher, glaube ich.« Ich vertraute Marlee. Aber es war besser für uns beide, wenn sie es nicht wusste.
    Sie sah aus, als wäre ihr klar, dass noch mehr dahintersteckte, aber sie drang nicht weiter in mich. Diese stille Akzeptanz unserer jeweiligen Geheimnisse war beinahe tröstlich.
    »Dann finde einen Weg, dich zu vergewissern. Bald. Nur weil er
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