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Die Elite

Die Elite

Titel: Die Elite
Autoren: Kiera Cass
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Menschen trugen Masken, um die bösen Seelen zu vertreiben. Später entwickelte sich Halloween zu einem profanen Feiertag, hauptsächlich für die Kinder. Sie zogen verkleidet durch die Straßen und drohten mit Streichen, wenn sie keine Süßigkeiten bekamen. Der Spruch »Süßes oder Saures« entstand in diesem Zusammenhang.
    Das zweite Buch enthielt eine ähnliche Definition, nur dass noch Kürbisse und der christliche Glaube erwähnt wurden.
    »Das hier wird das Interessanteste sein«, meinte Maxon und blätterte ein Buch durch, das handgeschrieben und wesentlich dünner als die beiden anderen war.
    »Und wieso?«, fragte ich und trat zu ihm, um es mir genauer anzusehen.
    »Das hier ist ein Band von Gregory Illeás persönlichen Tagebüchern.«
    »Wie bitte?«, rief ich überrascht aus. »Darf ich es anfassen?«
    »Lass mich zuerst die Seite finden, nach der wir suchen. Schau mal, es gibt sogar ein Bild!«
    Wie eine Erscheinung aus unbekannter Vergangenheit zeigte es Gregory Illeá – hochaufgerichtet, mit strengem Gesichtsausdruck und steifem Anzug. Es war verblüffend, wie sehr mich seine Haltung an die des Königs und Maxons erinnerte. Neben ihm schenkte eine Frau der Kamera ein halbherziges Lächeln. Irgendetwas an ihrem Gesicht verriet, dass sie einst bezaubernd ausgesehen haben musste. Doch der Glanz in ihren Augen war erloschen. Sie wirkte müde.
    Drei Personen flankierten das Paar. Die erste war ein Mädchen im Teenageralter, das breit lächelte. Sie trug eine Krone und ein Rüschengewand. Wie seltsam! Sie war als Prinzessin verkleidet. Und dann standen da noch zwei Jungen, der eine nur ein wenig größer als der andere. Die Figuren, die sie mit ihren Kostümen darstellten, kannte ich nicht. Die beiden sahen jedoch aus, als hätten sie jede Menge Unfug im Sinn. Unter dem Bild stand ein kurzer handschriftlich verfasster Text von Gregory Illeá:
     
    Die Kinder haben dieses Jahr an Halloween eine Party gefeiert. Ich vermute, auf diese Weise können sie vergessen, was um sie herum geschieht. Doch mir kommt es geradezu frivol vor. Wir sind eine der wenigen Familien, die überhaupt noch genug Geld haben, um ein Fest zu veranstalten, doch dieser Kinderkram ist reine Verschwendung.
     
    »Glaubst du, das ist der Grund, warum wir Halloween nicht mehr feiern? Weil es Verschwendung ist?«, fragte ich.
    »Gut möglich. Das Datum des Eintrags mag ein Anhaltspunkt sein. Gregory Illeá verfasste ihn unmittelbar nachdem die Amerikanischen Staaten von China angefangen hatten zurückzuschlagen, kurz vor dem Vierten Weltkrieg. Zu diesem Zeitpunkt besaßen die meisten Menschen rein gar nichts – stell dir eine ganze Nation voller Siebener und dazu eine Handvoll Zweier vor.«
    »Puuh.« Ich versuchte mir unser Land, wie es damals gewesen war, vorzustellen – vom Krieg zerstört, doch dann sammelte es alle Kräfte, um sich neu zu erschaffen.
    »Wie viele von diesen Tagebüchern gibt es?«, fragte ich.
    Maxon zeigte auf ein Regal mit einer ganzen Reihe von Heften, die dem ähnelten, das wir in Händen hielten. »Ungefähr ein Dutzend.«
    Ich konnte es kaum fassen! Die ganze Geschichte unseres Landes war hier in diesem kleinen geheimen Raum versammelt.
    »Danke«, sagte ich. »Ich hätte mir nicht träumen lassen, dass ich jemals so etwas zu Gesicht bekommen würde. Ich kann fast nicht glauben, dass all das existiert.«
    Maxon strahlte. »Möchtest du auch den Rest lesen?« Er deutete auf das Tagebuch.
    »Ja, gerne!«, platzte ich heraus. Doch dann fielen mir meine Pflichten wieder ein. »Aber ich kann leider nicht allzu lange hierbleiben, ich muss mich weiter mit diesem furchtbaren Bericht herumschlagen. Und du musst zurück zu deiner Arbeit.«
    »Stimmt. Nun, was hältst du davon? Du nimmst das Buch mit und leihst es dir für ein paar Tage aus.«
    »Ist das denn erlaubt?«, fragte ich ehrfürchtig.
    »Nein.« Maxon grinste spitzbübisch.
    Ich zögerte, hatte Angst um das, was ich da in Händen hielt. Und wenn ich es nun verlor? Wenn ich es zerstörte? Ganz bestimmt musste er doch die gleichen Gedanken haben. Doch mir würde sich nie wieder eine solche Möglichkeit bieten. »Gut. Nur für einen Tag oder zwei. Dann gebe ich es wieder zurück.«
    »Aber versteck es gut.«
    Und genau das tat ich dann auch. Denn das hier war mehr als ein Buch – es war ein Beweis für Maxons Vertrauen. Ich verstaute das Tagebuch in meinem Klavierhocker unter einem Stapel Notenblätter. Dort machten meine Zofen nie sauber. Die einzigen
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