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Die Elite

Die Elite

Titel: Die Elite
Autoren: Kiera Cass
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Paragraphen und Tabellen, zog dabei die Augenbrauen zusammen und kaute auf meinem Stift herum.
    Mit halbem Ohr hörte ich, wie Lucy leise auflachte, und blickte hoch, um zu sehen, worüber sie sich so amüsierte. Als ich ihrem Blick bis zur Tür folgte, sah ich, dass Maxon im Türrahmen lehnte.
    »Sie haben mich verraten!«, beschwerte er sich bei Lucy, die immer weiter kicherte.
    Ich schob schwungvoll den Stuhl zurück und warf mich in seine Arme. »Du kannst Gedanken lesen!«
    »Kann ich das?«
    »Bitte lass uns nach draußen gehen. Nur für einen kurzen Moment.«
    Er lächelte. »Also gut, aber in zwanzig Minuten muss ich wieder hier sein.«
    Ich zog ihn den Flur entlang, während hinter uns das aufgeregte Geschnatter meiner Zofen verklang.
    Es bestand kein Zweifel, der Garten war
unser Ort
geworden. Immer wenn wir Gelegenheit hatten, allein zu sein, gingen wir dorthin. Es unterschied sich schon sehr von der Art, wie ich mit Aspen meine Zeit verbracht hatte – in dem winzigen Baumhaus in meinem Garten, dem einzigen Ort, wo wir gefahrlos zusammen sein konnten.
    Plötzlich fragte ich mich, ob Aspen – ohne dass ich ihn unter all den anderen Wachen im Palast erblickte – irgendwo in der Nähe war und zusah, wie Maxon meine Hand hielt.
    »Was hast du da?«, fragte Maxon und fuhr über meine Fingerspitzen.
    »Schwielen. Das kommt vom Geige spielen.«
    »Sie sind mir zuvor noch nie aufgefallen.«
    »Stören sie dich?« Von den sechs übrig gebliebenen Mädchen gehörte ich der niedrigsten Kaste an, und ich bezweifelte, dass eine der anderen solche Hände hatte.
    Maxon blieb stehen, hob meine Finger an seine Lippen und küsste die Fingerkuppen.
    »Im Gegenteil. Ich finde sie sehr schön.« Ich spürte, wie ich rot wurde. »Ich habe die ganze Welt gesehen – wenn auch meistens nur durch Panzerglas oder vom Turm irgendeines alten Schlosses aus. Und mir steht das Wissen der Menschheit zur Verfügung. Aber diese kleine Hand hier«, er sah mir tief in die Augen, »diese Hand erzeugt Töne, die mit nichts zu vergleichen sind, was ich je gehört habe. Manchmal denke ich, ich habe nur geträumt, dass du Geige gespielt hast, so schön ist es gewesen. Aber diese Schwielen sind der Beweis, dass es real war.«
    Manchmal war seine Art zu sprechen fast schon zu romantisch, um es ihm wirklich abzunehmen. Und obwohl seine Worte mein Herz bewegten, war ich nie völlig sicher, ob ich ihm trauen konnte. Woher sollte ich denn wissen, ob er den anderen Mädchen nicht auch solche reizenden Dinge sagte? Ich wechselte das Thema.
    »Steht dir wirklich das Wissen der Menschheit zur Verfügung?«
    »Ja. Frag mich irgendetwas. Und wenn ich die Antwort nicht weiß, dann weiß ich zumindest, wo wir sie finden können.«
    »Egal, was?«
    »Egal, was.«
    Es war schwer, sich aus dem Stand heraus eine Frage auszudenken, noch dazu eine, die ihn verblüffen würde. Denn das wollte ich ja erreichen. Ich brauchte einen Moment, um mir klar zu werden, welche Dinge mich in meiner Kindheit am meisten interessiert hatten – zum Beispiel wie ein Flugzeug fliegen konnte, wie es früher in den Vereinigten Staaten gewesen war, wie die winzigen Musikabspielgeräte der oberen Kasten funktionierten.
    Und dann hatte ich es.
    »Was ist Halloween?«, fragte ich.
    »Halloween?« Er hatte eindeutig noch nie davon gehört, was mich nicht überraschte. Mir selbst war das Wort auch nur ein einziges Mal begegnet – in einem alten Geschichtsbuch meiner Eltern. Ganze Teile des Buchs waren ziemlich ramponiert, entweder fehlten die Seiten oder sie waren weitgehend unleserlich. Dennoch hatte mich die Erwähnung dieses Feiertags, der bei uns völlig unbekannt war, immer fasziniert.
    »Ist sich Eure Königliche Pfiffigkeit nun doch nicht mehr so sicher?«, neckte ich Maxon.
    Er warf mir einen finsteren Blick zu, doch es war klar, dass er nur so tat, als sei er verärgert. Er sah auf seine Uhr und holte tief Luft.
    »Also schön. Komm mit. Wir müssen uns beeilen«, sagte er, griff nach meiner Hand und lief mit großen Schritten los. Ich stolperte wegen meiner hohen Absätze, doch dann hielt ich mit ihm Schritt, als er mich mit einem breiten Grinsen zurück zum Palast führte. Ich liebte es, wenn Maxons sorglose Seite zum Vorschein kam, viel zu oft war er furchtbar ernst.
    Ich schaffte noch den halben Weg durch die Halle, dann musste ich mit Blick auf meine Schuhe kapitulieren. »Maxon, bleib stehen!«, keuchte ich. »Ich kann nicht so schnell!«
    »Komm schon, es wird dir
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