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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau
Autoren: Andrea Schacht
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lässt dich bitten, ihn morgen zur Ostermesse zu begleiten. Frau Nelda wird dich abholen kommen.«
    Überrascht nahm Almut das umfängliche Paket in die Arme und begab sich in ihre Kammer. Es war in ein festes Tuch gewickelt und gut verschnürt. Als sie die Knoten gelöst hatte und den Stoff auffaltete, da stockte ihr der Atem. Maigrün schimmerte der Brokat des Obergewandes, kastanienbraun wie ihre Haare leuchtete der Fehpelz an Ausschnitt, Ärmeln und Saum. Elfenbeinfarben, mit Gold bestickt war der Surkot und reinweiß die feinste Seide des vielfach gefältelten Unterhemdes.
    »Ein richtiger Sonntagsstaat!«, stellte Clara fest, die neugierig durch die Tür schaute. »Du wirst es morgen anziehen, nicht wahr?«
    »Ich weiß nicht...«
    »Also, wenn du es nicht willst … Wir haben dieselbe Größe. Und dieses Haarnetz passt auch dazu!«
    Die Gelehrte legte ein aus feinsten Goldmetall- und grünen Seidenfäden geknüpftes Gespinst neben das Gewand.
    »Wem gehört das denn?«
    »Wir hatten es eigentlich für dich gemacht, und ich habe mir zwei Fingernägel dabei eingerissen. ›Aber für wen mühe ich mich denn...‹«
    »Ja, ja, Clara, wie der Prediger sagt, und du gönnst dir ja auch nie etwas Gutes. Darum will ich dir denn den Gefallen tun und das Gewand zu Ehren des wiederauferstandenen Sohnes tragen. Auch wenn es ganz eitel ist.«
    Aber trotz dieser spöttischen Worte war Almut aufrichtig gerührt.

49. Kapitel
    D u sagst, er ist hier in dieser Stadt. Hier? Lebend?«
    Die schwarzhaarige Frau wirkte fassungslos, ihre dunklen Augen blitzten, und mit herrischen Bewegungen lief sie in dem schäbigen Zimmer auf und ab. Sie war, auch wenn kein junges Weib mehr, so doch eine delikate Schönheit und passte mit ihren rauschenden Gewändern so gar nicht in die ärmliche Umgebung, in der sie sich derzeit notgedrungen aufhalten musste.
    »Es kann kein Irrtum sein. Die maurische Hure nannte seinen Namen und beschrieb ihn mir. Übrigens ist der Apotheker auch noch hier.«
    »Hat er ihn da herausgeholt?«
    »Ich weiß es nicht.«zu
    »Verdammt, er sollte brennen!«
    »Nun, verdammt ist er bestimmt. Reg dich nicht so auf, Schwester. Es ist noch ein Leckerbissen an dieser Nachricht.«
    »So? Welcher könnte das wohl sein?«
    »Nun, er trägt die schwarze Kutte der Benediktinermönche und wird Pater Ivo genannt.«
    Erst wirkte die Frau verblüfft, dann brach sie in ein schrilles Lachen aus. Keuchend und mit tränenden Augen stammelte sie wieder und wieder: »Pater… Ivo. Pater! Hölle, das ist zu gut. Das ist ja noch besser als der Scheiterhaufen. Pater... Ivo!«
    »Zu Groß Sankt Martin, ja!«
    »Betend und büßend. O ja. Das geschieht ihm recht.«
    »Allerdings gibt es da Gerüchte.«
    »Welche?«
    »Man munkelt, sein Vater sei von einem langen Aufenthalt in Rom zurückgekehrt, und nun sei man bestrebt, Dispens für seinen Sohn zu erlangen.«
    »O nein. Das werde ich zu verhindern wissen. Wir haben Beziehungen, wir haben Möglichkeiten. Wir werden die Ohren offenhalten. Ivo vom Spiegel ist immer ein unternehmender Mann gewesen. Er wird sich auch hier das eine oder andere zu Schulden kommen lassen, mit dem wir den frommen Mönch im Kloster halten können.«
    »Er tändelt mit einer Begine herum.«
    »Du scherzt wohl.«
    »Vielleicht tändelt auch sie um ihn herum.«
    »Nun, wir werden auch sie im Auge behalten.«

50. Kapitel
    F rau Nelda zeigte sich beeindruckt von der stattlichen Erscheinung, die Almut bot, mehr aber noch tat es der Herr des Hauses. Gauwin vom Spiegel sah ehrfurchtgebietend aus in seiner schwarzen Robe und seinen weißen Haaren. Die Arbeit der vergangenen Wochen schien ihm ausgezeichnet bekommen zu sein, und er trat mit Lebhaftigkeit und Tatkraft auf.
    »Ich hatte mir schon gedacht, der graue Kittel müsse ein ansehnliches Weib verbergen, Frau Almut, doch wie es sich zeigt, könnt Ihr ein kostbares Kleid noch überstrahlen.«
    »Ihr schmeichelt mir, edler Herr. Doch auch Ihr seht wohl aus.«
    »Ihr tragt einen Gutteil Schuld daran. Doch nun muss ich Euch bitten, mir einen Weg abzunehmen. Mein Sohn hat sich oben auf den Söller begeben, um sich an der Frühlingsluft zu erfreuen. Steigt Ihr die steilen Stiegen hoch und holt ihn zur Messe ab. Oder wozu es Euch immer gelüstet.«
    Mit nachdrücklichem Griff an ihren Ellenbogen führte der alte Herr sie zu der Wendeltreppe, die nach oben führte. Almut hob mit einer fließenden Bewegung die Schleppe auf, sodass der pelzbesetzte Saum sich in anmutigen Falten um
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