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Die elfte Jungfrau

Titel: Die elfte Jungfrau
Autoren: Andrea Schacht
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sah alles Mühen und alles geschickte Tun: Da ist nur die Eifersucht des einen auf den anderen.‹ Wie der Prediger sagt, Pater.«
    »Wann und in welcher Situation wird es der gebenedeiten Jungfrau Maria eigentlich endlich einmal gelingen, Eure Zunge im Zaum zu halten?«
    »Vermutlich hat das auch irgendwann einmal seine Zeit.«
    Sie setzte sich neben ihn auf das Polster und nahm einen großen Schluck aus dem Weinbecher, den ihr Meister Krudener wieder aufgefüllt hatte.
    »Ich habe Ivo von Eurer spitzfindigen Schlussfolgerung berichtet, Frau Almut, und wenn er auch unablässig mit Euch herumnörgelt, so schien es mir doch, als habe es ihn beeindruckt.«
    »Nicht Nörgelei, pure Eifersucht, Georg. Pure Eifersucht darüber, nicht selbst darauf gekommen zu sein.«
    Almut zwinkerte ihm vertraulich zu.
    »Ihr aber wart auch nicht müßig, denke ich?«
    »Nein, Begine. ›Ich richtete meinen Sinn darauf, zu erfahren und zu erforschen und zu suchen Weisheit und Einsicht, zu erkennen, dass Gottlosigkeit Torheit ist und Narretei Tollheit‹, und ich fand, über den Prediger hinaus, dass leidenschaftliche Frömmigkeit gepaart mit unterdrückter Begierde in einem schwachen Menschen die mörderische Dämonin entfesselt. Ihr gabt ihr einen Namen und fandet das verbindende Element - die heiligen Jungfrauen.«
    »Und wenn die gewöhnlichen Jungfrauen seinen hohen Idealen von Keuschheit und Unschuld nicht genügten, wenn er feststellte, dass nur seine fleischliche Lust an ihnen befriedigt wurde, dann brachte er sie um.«
    »Weil die Geschichte, die seine geliebte Mutter ihm wieder und wieder erzählte, die Geschichte von Keuschheit, Jungfräulichkeit, Frömmigkeit und Märtyrertod eine unselige Mischung für ihn ergab.«
    »Ja, Pater Ivo.«
    Krudener rieb sich die Augen.
    »Wie absolut unmenschlich.«
    »Ja, das ist es.«
    Auch der Benediktiner nickte, aber er war es, der auf das Problem hinwies.
    »Wir werden etwas mit seinem Körper unternehmen müssen.«
    »Heilige Maria, ja. Wir müssen weiterdenken.« Almut sah ihn fragend an. »Was hat sich in den dunklen Gängen abgespielt, Pater?«
    »Ein Kampf auf Leben und Tod. Ich sah wenig, hörte Entsetzliches. Schreie, Flüche, brechende Knochen. Ich versuchte, Licht zu spenden, nicht wissend, ob ich dem einen oder dem anderen damit diente. Nur ringende Gestalten konnte ich erahnen. Aber dann war plötzlich Stille, und einer der Männer kam zu mir gekrochen. Ich gestehe, Begine, wäre es der Schreinemaker gewesen, ich hätte ihn getötet.«
    »Es war Esteban.«
    »Und ein Bild des Grauens. Ich versuchte, ihn aufzurichten und zu stützen. Den Rest kennt Ihr.«
    »Der Schreinemaker wird vermisst werden. Heute wohl noch nicht, aber sicher zum Osterfest, denn gewöhnlich verbrachte er solche Feiertage bei seiner Schwester«, gab Almut zu bedenken. »Man wird ihn dort unten nicht finden.«
    »Oder jene, die ihn finden, werden kein Geschrei darum machen. Mir scheint, diese Unterwelt ist manchen Geschöpfen nicht unbekannt. Ich fand Spuren.«
    »Ja, Ivo. Armes Gesindel, Flüchtlinge, darunter gelegentlich auch Erzbischöfe, Grabräuber und alle jene, deren Geschäfte das Licht scheuen, suchen sie auf. Einschließlich unheimlicher Apotheker!«, erlaubte sich Meister Krudener mit einem feinen Lächeln anzumerken. »Es mag jedoch besser sein, er würde an anderer Stelle gefunden.«
    »Ja, und zwar so, wie er es auch immer getan hat. Als sei er Opfer eines Unfalls, vielleicht eines Überfalls durch Fremde geworden.«
    »Und wie, Begine, wollt Ihr das bewerkstelligen?«
    »Esteban wusste einiges über den Verlauf dieser Gänge. Dass sie zum Rhein hinunterführen.«
    »Das tun sie, Frau Almut, die Aduchte enden im Osten an der alten Burgmauer, die am Alten Markt entlangführt. Dort mündet einer in den Duffesbach, der dort nur noch eine stinkende Kloake ist.«
    »Ein passender Weg für den Jungfrauenmörder!«, stellte Pater Ivo fest. »Er wird von den Fischern oder Schiffern gefunden werden.«
    »Frau Lena könnte auf einer Untersuchung bestehen«, überlegte Almut laut. »Was wäre, wenn wir zuvor den Schreinemaker des Mordes an den Mädchen beschuldigten? Beweise dafür haben wir wahrscheinlich genügend.«
    »Wenn wir Esteban aus diesen Verwicklungen heraushalten wollen, Begine, ist das kein guter Weg. Man mag ihn vorhin in der Werkstatt gesehen haben, er könnte mit jemandem darüber gesprochen haben, seine Wut auf ihn bekannt geworden sein.«
    »Ja, dummerweise habe sogar ich ihm den
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